Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)

STAUDINGER, Anton: Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930–33)

Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei 309 als Großaktionär verschiedener Lokalbahnen; sein Vermögen habe er durch Schiebungen und Steuerhinterziehungen erwirtschaftet; überdies wolle er die bei den Bundesbahnen vorhandenen Geheimfonds für eigene politische Zwecke verwenden. Ungeachtet der in der Öffentlichkeit gegen Strafella vorgebrachten Beschuldigungen wurde am 13. Mai von dem mit der Bundesbahnfrage befaßten Ministerkomitee festgelegt, „daß unter allen Umständen nach Abschluß der Frühjahrssession“ Strafella zum Generaldirektor bestellt werden müßte 54). Präsident Banhans weigerte sich aber, die Ernennung durchzuführen, eher legte er seine Funktion zurück. So verfiel man auf den von Vaugoin gebilligten Ausweg, Banhans zur Demission zu bewegen, an seiner Stelle Strafella zum Präsidenten der Bundesbahnverwaltungs­kommission zu bestellen, wobei aber als Voraussetzung ein Einvernehmen in der Besetzung des Generaldirektorpostens hergestellt sein müßte *5). Als daraufhin Schober, in Berücksichtigung der Haltung Banhans’, den Ausgang des von Strafella angestrengten Prozesses gegen die Arbeiterzei­tung abzuwarten, die genannte Lösung nicht durchführen wollte, erklärte Vaugoin sein Ausscheiden aus der Regierung 56). Das Problem der Besetzung des Generaldirektorpostens bei den Bun­desbahnen war zur Frage der persönlichen Politik Vaugoins geworden, die durch ihre Unnachgiebigkeit dahin tendierte, Schober entweder zum Nachgeben oder zum Rücktritt zu zwingen. Hatte schon die Heimwehrfrage Mißtrauen zwischen Vaugoin und Schober gestiftet, einesteils wegen der Konkurrenz beider, die Heimweh­ren für die eigene Politik zu gewinnen57 58), anderenteils wegen des Erfolges Vaugoins in diesen Bemühungen5S) und der nunmehrigen Feindschaft Schobers gegenüber den Heimwehren, die diesen öffentlich als „Führer des Bolschewismus“ angriffen 59), brachte die Forcierung der Ernennungen Strafellas durch Vaugoin den endgültigen Bruch. 54) H a n n a k Schober 166. **) AVA Ministerratsprotokoll Nr. 643 vom 16. Juni 1930. se) Brief Vaugoin an Schober vom 25. Juli 1930 in H a n n a k Schober 166 ff. 57) Schober soll schon 1929 Heimwehrführern zur Gründung einer eigenen Partei geraten haben, so Steidle im christlichsozialen Klub am 31. Mai 1930: Braun Schmitz 183 ff. — Zu den Bemühungen betont deutschnationaler Krei­se, die mit Schober in Verbindung standen, die Heimwehren dem Einfluß der Christlichsozialen Partei zu entziehen, siehe auch Wolfgang R o s a r Arthur Seyss-Inquart in der österreichischen Anschlußbewegung (phil. Diss. Wien 1969) 48 ff. 58) Der österreichische Presseattaché in Berlin, Dr. E. Wasserbäck, berich­tete Schober am 21. Mai 1930 von Gerüchten, daß im Herbst „bestimmt ein Ministerium Vaugoin kommen“ werde, „denn die Christlichsoziale Partei läge größten Wert darauf, die Regierung in der Zeit selbst zu führen, in der es sich um die Vorbereitung der Wahlen (1931) handle“. Schober-Archiv Karton 57. 59) Siehe dazu die Auseinandersetzungen im Ministerrat vom 12. Juni 1930 über das Vorgehen der Heimwehren, AVA Ministerratsprotokoll Nr. 635.

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