Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23. (1970)
COONS, Ronald E.: Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel: Österreich und die englisch-ostindische Post 1842–1848
Das Dampfschiff als diplomatisches Mittel 159 aufzubauen genötigt war. Österreichs Dampfer sollten ein Hauptglied in dieser Kette — nämlich zwischen Europa und der Levante — bilden, denn die daraus folgenden politischen Vorteile wären ungeheuer. Es ist für die politischen Interessen Österreichs zu dieser Zeit bezeichnend, daß Ottenfels diese Vorteile nicht im Hinblick auf den Nahen Osten, sondern eher im Verhältnis zu Italien sah. „Die Gefahren, welche die innere Ruhe der italienischen Halbinsel bedrohen könnten, gehen weniger aus der Existenz subversiver Sekten an sich, als aus dem Grade des Vertrauens hervor, mit welchem dieselben auf Unterstützung von Frankreich rechnen zu dürfen glauben. Einer französischen Macht, welche über die Landgrenze in Italien einzudringen versuchte, konnten die vereinten Kräfte österreich’s und Sardinien’s allerdings erfolgreich die Spitze bieten; die Sicherheit der Küsten Italien’s jedoch vermögen diese beiden Mächte nicht gegen französische Angriffe zu beschützen. Es liegt also wesentlich im Interesse österreich’s, seine politischen Verhältnisse mit Großbritannien möglichst dahin auszubilden, um die englische Flagge zwischen Frankreich und die Küsten Italien’s zu stellen... Falls die wichtige Verbindung mit Ostindien auf der Linie zwischen Alexandrien und Triest der österreichischen Flagge anvertraut würde, müßte Großbritannien hierdurch einen direkten Beweggrund und ein positives Interesse erhalten, im Falle eines Krieges seine Seemacht in diesen Gewässern zum Schutze Österreich’s eine Stellung nehmen zu lassen, was den sämtlichen militärischen Stellungen österreich’s und Italien’s zum wesentlichen Vortheil gereichen dürfte“ 40). Laut Ottenfels war es notwendig, jede Bedrohung der österreichischen Schiffahrt im Mittelmeer einer Bedrohung der englischen Verbindungen mit dem Orient gleichzusetzen. Folglich müßten österreichische Dampfer die Indische Post befördern. Im Licht der profranzösischen Gefühle des englischen Außenministers, Lord Aberdeen, gesehen, war Ottenfels’ Analyse unrealistisch. Und doch gibt es Anzeichen, daß Ottenfels’ Ansichten in England nicht ohne Echo blieben, daß trotz der Bevorzugung Aberdeens eine starke antifranzösische Einstellung vorhanden war. Einer von Neumanns Verbindungsleuten im Handelsministerium, der Unterstaatssekretär John MacGregor, berichtete, daß einige seiner Kollegen der Ansicht waren, daß, falls England in einen Krieg mit Frankreich verwickelt würde, die Hilfe, die von der österreichischen Marine und dem Lloyd zu erwarten wäre, den Ausgang des Konfliktes entscheiden könne41). Nichtsdestoweniger bestand das engli*o) Ottenfels an Hofkriegsrat, 24. August 1842: FA 6298,/pp ex 1842. 41) Neumann an Metternich, 21. Juni 1842: HHStA England Korr. 239. Sicherlich erinnerte man sich in London an die gemeinsame Tätigkeit der englischen und österreichischen Flotte während der Belagerung von Acre im Jahre 1840: vgl. Artur von Khuepach und Heinrich von Bayer Geschichte der Je. Je. Kriegsmarine während der Jahre 1814—1847 (Geschichte der Je. u. Je. Kriegsmarine II/3, Wien 1966) 243—267.