Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 21. (1968)

Nachrufe - BLAAS, Richard: Alfons Lhotsky (1903–1968)

536 Nachrufe sammenhang mit den damaligen politischen Ereignissen. Auf Lhotskys politischer Weste war niemals auch nur die Spur eines braunen Fleckes zu entdecken. Er empfand diese Versetzung wohl ebenso wie der von ihm so liebevoll charakterisierte Archivar Joseph Chmel die seine vor hundert Jahren, als dieser an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv berufen worden war, als eine Fügung des Himmels und an Lhotsky hätte damals Kaiser Franz wohl dieselben Worte richten können wie an den zur Dankaudienz angetretenen Archivar Chmel: „Na, jetzt san S’halt in Ihrem Element, net wahr“ 2)? Trotz Not und Krieg zählten die Museumsjahre von 1938 bis 1946, wie er immer wieder gerne eingestand, zu den reichsten und frucht­barsten seines Lebens. In diesen Jahren entstand nicht nur sein erstes gro­ßes Hauptwerk, die dreiteilige Festschrift des Kunsthistorischen Museums, die mit einem Schlage die Fachwelt auf ihn aufmerksam machte, in diesen Jahren reiften auch die Pläne zu den meisten seiner weiteren Forschungs­vorhaben heran. So begann er bereits 1940 mit der Abschrift der „Chronica Austriae“ des Thomas Ebendorf er, die ihn in sein spezielles Forschungs­gebiet, das Spätmittelalter, einführte und der er ein Gutteil seiner Lebens­arbeit widmete. Nachdem er sich 1945 über Drängen des damaligen Ersten Direktors des Museums, Prof. Dr. August Loehr, an der Wiener Universität für öster­reichische und mittelalterliche Geschichte habilitiert hatte, wurde er 1946 zum außerordentlichen und 1951 zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Den stillen und ganz seinen Forschungen gewidmeten Jahren am Museum trauerte er lange nach; der hektische Universitäts- und Lehr­betrieb sagte ihm nicht zu und nur die Aufnahme in den relativ kleinen und in sich abgeschlossenen Wissenschafts- und Forschungsbezirk des Instituts für österreichische Geschichtsforschung vermochte ihm den Ab­schied vom Museum einigermaßen zu kompensieren. Seit 1946 gehörte er dann dem Lehrkörper des Instituts an und war somit seit dieser Zeit maßgeblich an der wissenschaftlichen Ausbildung der österreichischen Archivare beteiligt. Die Archive waren für ihn, den gründlichsten Kenner der gedruckten und ungedruckten Quellen zur österreichischen Geschichte, nicht einfach Depositorien für Urkunden und Akten, sondern die unausschöpfbaren Schatzkammern der Forschung. Seiner elementaren Begeisterung für das Aufspüren von Geschichtsquellen entsprechend W'aren die Archive für ihn die eigentlichen Werkstätten für den Geschichtsforscher. Die Wertschätzung für die Archive übertrug er auch ohne Abstriche und Vorbehalte auf die Archivare, deren Berufung zum Historiker in seinen Augen ein Berufs­erfordernis war, dessen Durch- und Ausbildung dem Institut oblag. Daß Lhotsky alle Pflichten, die ihm aus seinem akademischen Lehrauftrag zugewachsen waren, gewissenhaft und treu erfüllte, bedarf keiner nach­träglichen Bestätigung, aber ebenso offen liegt zu Tage, daß seine beson­2) Alphons Lhotsky, Joseph Chmel zum hundertsten Todestage, in Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philos.-histor. Klasse, 95. Jg. (1958), S. 325.

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