Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)
BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913
Die Balkanpolitik Conrad v. Hötzendorfs 225 derte er den Kaiser abermals auf die Initiative zu ergreifen und ein drohendes Übergewicht Serbiens in letzter Stunde zu zerschlagen47 48). Betrachtet man die eingelaufenen Medungen der letzten Tage, so erscheint Conrads Haltung in dieser Audienz durchaus verständlich. Der Bericht Major Schnellere über die Stimmung der Truppen wurde bereits erwähnt. Am 17. Mai war im Evidenzbüro ein Bericht Gellineks über den gegenwärtigen Stand des serbisch-bulgarischen Konfliktes eingetroffen 4S), am 20. Mai ein Telegramm Tanczos mit folgendem Inhalt: „Nachricht über Abschluss serb[isch]-griech[ischer] Seperatverhandlungen verdichten sich; offiziell wird Bestehen solcher dementiert. Alle beurlaubten griechischen] Offiziere erhielten Befehl sofort zu ihren Truppen einzurücken. Militärattache“ 49). Die Audienz vom 20. Mai zeigt außerdem noch deutlich, wie Conrad bestehenden Tatsachen einfach auswich. Als Franz Joseph auf die Möglichkeit eines Anschlusses Rumäniens an Serbien und Griechenland bei einem Krieg gegen Bulgarien zu sprechen kam, stimmte Conrad der Überlegung des Monarchen wohl zu, brachte das Gespräch aber unverzüglich auf ein anderes Thema50). Unmittelbar nach der Räumung Skutaris entschloß man sich den über Bosnien, der Herzegowina und Dalmatien verhängten Ausnahmezustand aufzuheben, obgleich F. Z. M. Potiorek scharf dagegen Einspruch erhob. Die im Lande erscheinenden serbischen Blätter benützten die Aufhebung der Ausnahmsbestimmungen sofort zu schärfsten Angriffen gegen die Regierung51). Da Potiorek Conrads Interesse an den Zuständen in Bosnien, der Herzegowina und Dalmatien kannte, übersandte er diesem neben seinen persönlichen Vormerkungen auch Auszüge aus mehreren serbischen Blättern52). ") A. M. D. Ill: S. 322 ff. (Audienz Conrads bei Franz Joseph am 20. V. 1913). Das schriftliche Konzept zu dieser Audienz befindet sich im K. A.: Ch. d. Gstbs., Op. B. Fasz. 91. 48) K. A.: Ch. d. Gstbs., Evb., Fasz. 5540. (Bericht Gellineks vom 14. V. 1913, Res. Nr. 162, präs. Ch. d. Gstbs. 17. V. 1913, Ges. A. M. 4. VI 1913, Evb. Nr. 2456) 49) Ebenda: (Telegramm Tanczos Nr. 166. Aufg. Athen 19. V. 1913, 2 h 45 m. nm.; einget. Evb. 20. V. 1913 7h. vm. Abschrift ging an das A. M., Evb. Nr 2456) Siehe auch Ö.-U. A. VI: n. 7074. 50) A. M. D. Ill: S. 322 ff. (Audienz Conrads bei Franz Joseph am 20. V. 1913). 51) Weinwurm: S. 232 f. 52) K. A.: C.-A. Fasz. B 3. (K. u. k. Armeeinspektor in Sarajewo an Conrad, Res. No. 5991 vom 25. V. 1913, präs. 29. V. 1913). Mit diesem Bericht wurden Conrad einige bereits übersetzte Zeitungsartikel übersandt: a) „Srpska Rijec“ Nr. 99 vom 21./8./Mai 1913: „Der Landeschef Potiorek habe bewiesen, dass er seinen schweren und verantwortungsvollen Posten nicht gewachsen sei ... Das serbische Volk werde mit allen legalen Mitteln, für die blutige Verletzung seiner Ehre Satisfaktion verlangen. Es sei an der Zeit, dass F. Z. M. Potiorek seinem Versprechen gemäss Mitteilungen, Band 20 15