Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 20. (1967)

BRETTNER-MESSLER, Horst: Die Balkanpolitik Conrad von Hötzendorfs von seiner Wiederernennung zum Chef des Generalstabes bis zum Oktober-Ultimatum 1913

208 Horst Brettner-Messler Standpunkt aus nicht vertretbar schien. Das einzige Mittel die Situation zu retten sei die B-Mobilisierung. Der Minister des Äußeren beschloß nun einen letzten Apell an die Mächte zu richten, geeignete Maßnahmen zur Räumung Skutaris zu beschließen. Sollte binnen kurzer Zeit keine geeignete Lösung gefunden werden, dann sehe sich Österreich-Ungarn gezwungen, gemeinsam mit Italien oder sogar allein vorzugehen61). Im Anschluß an dieses Gespräch begaben sich der Außenminister und der Chef des Generalstabes nach Schönbrunn, um mit dem Kaiser die Lage zu erörtern. Diesmal stimmte auch der Monarch einer Mobilisierung gegen Montenegro zu, wenn die Londoner Botschafterkonferenz zu keiner raschen Entscheidung kommen sollte 62). Die Korrespondenz mit F. Z. M. Potiorek und die Berichte der Militär- attachés bestärkten den Generalstabschef in seinen Kriegsforderungen. Nachdem Conrad am 26. IV. dem Landeschef ausführlich seine Auffassung der politischen Lage mitgeteilt hatte, erhielt er am darauffolgenden Tag ein Telegramm Potioreks, der dringend die Einberufung der bosnisch- herzegowinischen Nichtaktiven forderte. Am 30. April erneuerte der F. Z. M. sein Ansuchen und ersuchte Bilinski den Erlaß von Ausnahme­gesetzen zu beantragenes). Am 28. April erhielt Conrad einen Bericht Hubkas, der eben von einem Besuch Cattaros nach Cetinje zurückgekehrt war und nun über seine Eindrücke berichtete. Der Militärattachö unterrichtete Conrad von der österreichfeindlichen Stimmung der nationalen Kreise. „Diese arbeiten täglich zunehmender Dreistigkeit an der Ausgestaltung und Propagierung ihrer staatsgefährlichen Ideen, und wer unter solchen Umständen zu behaupten wagt: ganz Dalmatien sei unbedingt loyal und ruhig, der tut dies entweder aus egoistischem Opportunismus oder mangels an Scharf­blick. Der schon des öfteren gehörte Vorwurf, daß unsere militärischen Be­hörden und Organe in politischen Dingen zu schwarz sehen, entspringt anscheinend dem Ruhebedürfnis gewisser Zivilfunktionäre nach bekann­ten Vorbildern. Dessenungeachtet aber verdienen die Darstellungen mili­tärischer Beobachter der Verhältnisse an der Reichsgrenze dauernd die größte Beachtung, um im Falle ernster Verwicklungen nicht völlig unvor­bereitet vor betrübenden Tatsachen zu stehen, die unter Umständen die * 63 01) A. M. D. Ill: S. 271 f. (Konferenz bei Berchtold am 26. IV. 1913). Hantsch: Graf Berchtold I S. 407. 6ä) A. M. D.: III. S. 272 f. (Audienz Conrads bei Franz Joseph am 26. IV. 1913). Hantsch: Graf Berchtold I S. 407 f. 63) A. M. D. Ill: S. 278. (Telegramm Potioreks vom 27. IV. 1913); S. 294 (Telegramm Potioreks vom 1. V. 1913). Siehe auch Weinwurm: S. 226.

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