Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung
Österreich 541 Im Hauptteil 1933 bis 1945 spiegelt sich die politische und vor allem auch die kulturpolitische Entwicklung jener Jahre wider. Die Gewaltsamkeit und das Unrecht des NS-Regimes sind in ihm mit aller Deutlichkeit dokumentiert, aber auch zahlreiche Äußerungen des Widerstandes, so weit und so lange sie auf diesem Gebiet möglich waren, liegen vor. Ein Beispiel dafür ist der Widerhall einer Rede des Innenministers Frick in Münster gegen Bischof Galen in den führenden nationalsozialistischen Blättern, in den christlichen und bürgerlich-liberalen Zeitungen, in den Kirchenzeitungen und in den katholischen und evangelischen J ugendzeitschrif ten. Für die österreichische Zeitgeschichte ist das Material aus den Jahren 1934 und 1938 von besonderem Interesse. Das gilt von den unterschiedlichen Stimmen über den Bürgerkrieg vom Februar 1934 ebenso wie für den Artikel in der „Volksparole“ vom 31. Juni 1934, der mehr als drei Wochen vor der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß durch nationalsozialistische Putschisten mit dem Titel erschien: „Hat Dollfuß“ letztes Stündlein geschlagen?“ Über den Wert der ganzen Sammlung für die Zeitgeschichte, die Politologie und die Zeitungswissenschaft kann kein Zweifel bestehen. Ihre Benützer müssen sich nur über das im klaren sein, worauf Hans Buchheim bereits 1953 hingewiesen hat: „Man kann weder wissenschaftlich noch publizistisch allein mit dieser Sammlung arbeiten. Sie bedarf der Ergänzung durch andere Quellen oder kann selbst andere Quellen ergänzen. Das bedeutet keine Abwertung, denn es gibt eigentlich kein Quellenmaterial, das autark wäre; sondern so unendlich reich wie die Geschichte selbst ist, in der eigentlich kein Einzelvorgang für sich allein betrachtet werden kann, ohne daß das Bild tausendfach unvollständig und unvollkommen wird, so kann auch kein geschichtliches Zeugnis für sich allein bestehen, weil sich ja in den Quellen die Unendlichkeit der Ereignisse widerspiegelt“ 4). Da die Erforschung der Zeitgeschichte mit den selben Methoden vorgenommen werden muß wie die früherer Perioden der Geschichte, d. h. auf Grund der möglichst vollständigen Erfassung und kritischen Auswertung aller vorhandenen Quellen, ist für die das Archiv Borgs- Maciejewski benützenden Historiker die Heranziehung auch anderer Quellen eine Selbstverständlichkeit. Eine schwierigere Frage, die für alle Interessenten an der Sammlung gilt, ist jedoch ihre Erschließung. Das Original umfaßt, wie bereits gesagt, 80 Großfoliobände, die Mikrofilmkopien 105 Rollen. Ein Register ist nicht vorhanden. Seine dringend notwendige Anfertigung erfordert einen finanziellen Aufwand, für den derzeit leider keine Bedeckung vorhanden ist. Das Institut für kirchliche Zeitgeschichte in Salzburg hat daher eine Notlösung in Angriff genommen. Seine wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Ernst Hanisch, Dr. Franz Horner und cand. phil. Peter Hofrichter verzeichnen die einzelnen Zeitungsnummern und Artikel in der Reihe der Verfilmung und gewinnen auf diese Weise wenigstens ein Repertorium der Mikrofilmkopien. Das im Anhang publizierte Inhaltsverzeichnis der Rolle 21 (Sommer bis Herbst 4) Gutachten Dr. Buchheims vom 31. I. 1953.