Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

THOMAS, Christiane: Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866

Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866 307 Kaiserin auf das Schiff, das um 1 Uhr nachts (15. August) in Richtung Wien-Kaisermühlen abstieß. Diesmal schaltete man zwei Zwischenstationen ein. Der Dampfer unterbrach seine Fahrt für je eine Nacht in Szent Lipott und am schwarzen Stock bei Kaiserebersdorf. Rund einen Monat nach dem Aufbruch kam man am 17. August an den Ausgangsort zurück* 91 92 93). Nicht vor den frühen Morgenstunden des 20. August setzte der Rücktransport in die Stadt unter Aufsicht der Hofburgwache ein; um 13 Uhr waren Archi­valien, Waffen, Münzen, Goldgeräte, Mineralien und Insignien unversehrt, „ohne Beschädigung oder Abnützung“ an das Archiv und die Kabinette abgeliefert91). Noch am selben Tag fragten Bergmann und Seidl im Oberstkämmereramt an, ob man unverzüglich an eine Wiederaufstellung schreiten könne, der am 27. August zugestimmt wurde92). Drei Tage lang waren die Schatzkammerangestellten mit der Einordnung der einzelnen Objekte in Vitrinen und Kästen beschäftigt93): am 9. September 94) öffnete sich wiederum das eiserne Schatzkammertor mit den zwei ineinanderver- schlungenen C Kaiser Karls VI., um einem staunenden Publikum blitzende Edelsteine und funkelnde Geschmeide vor Augen zu führen. Für Archiv und Schatzkammer war damit aber nicht der Schlußstrich unter das Kapitel Flüchtung gezogen. Bereits in der zweiten Sitzung der österreichischen und italienischen Bevollmächtigten für die Friedensver­handlungen der Monarchie mit dem Königreich Italien forderte General Menabrea in einer Art „Präliminardiskussion“ die Aushändigung aller in österreichischem Besitz befindlichen venetianischen Archivalien; eine dies­bezügliche Resolution würde in einer späteren Konferenz formuliert wer­den95). Von österreichischer Seite versuchte man einen Kompromißvor­schlag in die Debatte zu werfen. Wäre nicht eine Teilung der Archive von Venedig annehmbar, die die Österreich betreffenden und die in österreichi­schem Besitz erhaltenen Dokumente der Republik Venedig an Wien abtrat, während alles Übrige in Venedig aufzubewahren wäre96)? Nach Ansicht Menabreas, der ein näheres Eingehen darauf ablehnte, bedeutete ein der­artiges Anerbieten „den Verlust einer der wichtigsten und kostbarsten ") ZA Prot. 78, 1866, S. 71. 91) OKäA 1866, Rubrik 53, Nr. 1129 und Rubrik 65/2, Nr. 1199. KA 1866, Nr. 185. 92) Ant. A. F. F und OKäA 1866, Rubrik 53, Nr. 1129. 93) OKäA 1866, Rubrik 65/3, Nr. 1338. 94) OKäA 1866, Rubrik 65/2, Nr. 1199. 95) Das Staatsarchiv, Sammlung der offiziellen Actenstücke zur Geschichte der Gegenwart, herausgegeben von Ludwig Karl Aegidi und Alfred Klauhold, Band 12 (Hamburg, 1867), S. 137; Ameth, S. 326. 96) Das Staatsarchiv, S. 141. Um die rigorosen Ansprüche Italiens für Österreich erträglicher zu machen, arbeitete Ameth ein Memorandum aus, das „die Streitfrage in einer für beide Staaten annehmbarer Weise“ regeln würde. Arneth beklagte den Umstand, daß seine inoffizielle Denkschrift, die er dem österreichischen Unterhändler Graf Wimpffen übermittelt hatte, „keinerlei Be­rücksichtigung fand.“ Ameth, S. 327 f. Ging vielleicht die oben besprochene Lösung einer Aufspaltung der Archivbestände auf Ameth zurück? 20*

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