Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
THOMAS, Christiane: Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866
304 Christiane Thomas in seinen Lebenserinnerungen, wie unheimlich die düstere, nächtliche Fahrt auf ihn wirkte73): „Nie werde ich den schrecklichen Eindruck vergessen, den es auf mich hervorbrachte, als zwischen die mir voranfahrenden Wagen, die mit den Archivskisten beladen waren, und meinen eigenen ein ungeheures, tiefschwarzes Ungethüm sich einschob, dessen Umrisse ich bei dem ersten Grauen des Tages noch gar nicht zu unterscheiden vermochte. Es war mir, als ob der Sarkophag Österreichs vor mir hergeführt würde, und ich schäme mich nicht es einzugestehen, daß ich, einsam in meinem Wagen, in bittere Thränen ausbrach. Erst als es heller wurde, sah und erfuhr ich, was das Ding war, das so unwiderstehlich auf meine Einbildungskraft wirkte. Es war der noch von der Kaiserin Maria Theresia herrührende kostbare Prachtwagen 74), den man wohl ebenfalls in der richtigen Absicht, ihn nicht als willkommenes Schaustück der Berliner in die Hände der Preußen fallen zu lassen, von Wien wegschaffen ließ. Ganz mit schwarzem Tuch überzogen, wurde auch er zur Einschiffung auf der Donau nach den Kaisermühlen gebracht.“ Sofort nach dem Eintreffen am Strom begann man mit der Einlagerung aller 485 75) Kisten in die drei Magazine des Schleppschiffes Nr. 631 der DDSG, das an den Personendampfer Szent István angehängt war. Zu den acht Kisten der weltlichen Schatzkammer, die im mittleren Magazin gestapelt wurden 76), den drei Kisten der Ambraser Sammlung, den vier Kisten des Münzkabinetts, den fünf Kisten des Mineralienkabinetts und den 120 Kisten des Archivs gesellten sich: je eine Kiste der geistlichen Schatzkammer, des Obersthofmarschallamtes, des Leopoldsordens und des Franz- Josephsordens, 31 Kisten der Sattel- und Gewehrkammer, 123 Kisten der Hofsilberkammer, fünf Kisten des Deutschen Kitterordens, vier Kisten der Privat- und Familienfondskassa, drei Fässer des Hofzahlamtes, zehn Kisten der Generaladjuntantur, sechs Kisten der Kabinettskanzlei und 42 Kisten des Ministeriums des Äußern. Auch persönliche „Effekten“ von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses waren für die Mitnahme ausersehen: 37 Kisten der Kaiserin Elisabeth, neun Kisten der Erzherzogin Sophie, fünf Kisten des Erzherzogs Franz Carl, eine Kiste des Kaisers Ferdinand und 25 Kisten des Erzherzogs Albrecht; endlich wurden 40 Kisten des Herzogs Adolf von Nassau beigegeben. Sämtliche Schlüssel befanden sich in Händen des Transportleiters Raymond, der von Grünne den Befehl zur Abfahrt erhalten würde77). Der Oberststallmeister zögerte noch. Am frühen Morgen des 12. Juli waren alle Vorbereitungen abgeschlossen, am 13. Juli begaben sich Kaiserin Elisabeth, Kronprinz Rudolf und Erzherzogin Gisela wegen der „drohenden Kriegsgefahr zu einem bleibenden Aufenthalt“ nach 73) Arneth, S. 291. 74) Imperialwagen der Wagenburg, Kunsthistorisches Museum, W 1. 73) ZA Prot. 78, 1866, S. 67 setzt die Zahl irrig mit 455 an. 76) Schka. Fasz. 20, 1866, Nr. 44. 77) ZA Prot. 78, 1866, S. 66 f.