Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

PÁSZTOR, Lajos: Die ungarischen Katholiken und der Erste Weltkrieg

394 Lajos Pásztor Prälaten -) geführt) — stellten sich auf die Seite der Opposition, sowohl vor dem Krieg, als auch in den ersten Kriegsjahren. Man konnte aber auch in den Reihen der anderen, nicht katholisch in­spirierten Parteien, Katholiken begegnen, seien es Parteien der Opposition oder der Regierung, deren Präsident in der Zeit vom 10. Juni 1913 bis 25. Juni 1917 der Protestant Graf Stefan Tisza war. Der Eintritt der katho­lischen Kräfte in das ungarische politische Leben war also nicht mittels eines Einheitsblockes erfolgt, was einerseits ihr Gewicht offensichtlich begrenzte, andererseits jedoch eben jenen katholischen Kräften größere Bewegungsfreiheit in den verschiedenen politischen Fragen gewährte. Was Zuneigung und Opposition gegen das Regierungsprogramm in Ungarn betrifft, so hängen sie hauptsächlich von konstitutionellen Grün­den ab, die vorab die Beziehungen zwischen Ungarn und Österreich be­treffen ; aber sie wurden auch beeinflußt von Erwägungen politisch-sozialer Natur. Da waren einige Bischöfe, welche ihre Sympathien gegen die beiden katholischen Parteien nicht verbargen; die Haltung der meisten aber be­herrschte das monarchische Empfinden, das die Stützung der Regierung mit einbezog. Die Monarchie war traditionell eine katholische Macht, welche als Fels des Glaubens und der Religion und als Verbündete der Kirche be­trachtet wurde. Sich also gegen sie zu stellen, schien in den Augen vieler Katholiken dasselbe, als sich gegen die Interessen der Kirche selbst zu wenden. Aus diesen Erwägungen entsprang die Anhängerschaft vieler Katholiken an die Regierungspartei und ihr Standpunkt wechselte nicht einmal, nachdem Graf Tisza in der wichtigsten ungarischen Zeitschrift, der „Katholischen Revue“, als Feind des Katholizismus bezeichnet wurde 2 3). Die ungarischen katholischen Kräfte wurden nicht einmal während des Krieges geeint. Noch im Jahre 1917 mußte der Bischof von Székes- fehérvár, Prohászka4), eine bittere Bilanz der Situation der Katho­2) Es handelt sich um Sándor Giesswein. Siehe über ihn weiter unten S. 401 ff. 3) Vgl. „Katholikus Szemle“, 1913, S. 105. Sechs ungarische Zeitschriften werden im Laufe dieser Studie häufiger genannt; ich denke, es ist nützlich, jetzt schon eine Übersicht davon zu geben: „Katholikus Szemle“, von nun an abgekürzt durch die Sigle „K. Sz.“ „Budapesti Szemle“, von nun an abgekürzt durch die Sigle „B. Sz.“ „Egyházi Közlöny“, von nun an abgekürzt durch die Sigle „E. K.“ „Havi Közlöny“, von nun an abgekürzt durch die Sigle „H. K.“ „Papi Közlöny“, von nun an abgekürzt durch die Sigle „P. K.“ „Magyar Kultura“, von nun an abgekürzt durch die Sigle „M. K.“ Was die Stellungnahme der „K. Sz.“ gegen den Ministerpräsidenten be­trifft, so wurde sie durch einen Artikel desselben hervorgerufen, der in der Zeitschrift „Magyar Figyelő“ veröffentlicht wurde, in welchem Tisza sich gegen die Ausdehnung des Stimmrechtes auf die Bauern erklärt, weil ihre Stimmen nur dem „Klerikalismus, dem gefährlichsten Verführer des Staates, dienen würden. Vgl. „K. Sz.“, a. a. O. 4) Über Ottokar Prohászka siehe weiter unten S. 404 ff.

Next

/
Oldalképek
Tartalom