Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen
460 Julius Marx der Floskel, auf diese günstige Auskunft hin erteile er die Bewilligung. Die Vertrauenswürdigkeit war auch durch Rang oder Stellung des Bewerbers nicht von vornherein gegeben. Als der Seelsorger des Wiener Garnisonsspitals verpönte Schriften aus dem Nachlaß eines Pfarrers ankaufen wollte, mußte die Polizei ein Gutachten über seine Würdigkeit abgeben. Dem Grafen Cormini in Brescia hatte der lombardische Gouverneur Graf Spaur nur die mit erga schedam erledigten Nummern der Revue des deux mondes zugestanden, weil er nach den Polizeiauskünften als leichtsinnig und unzuverlässig, wenn auch nicht gefährlich erschien. Cormini wollte aber auch die verbotenen, weshalb er sich an den Zensurchef selbst wandte. Dieser holte ein Gutachten ein — bei Spaur! Dieser rechtfertigte sein Vorgehen damit, daß ihm bei dem Charakter des Bittstellers keine Bürgschaft für einen unschädlichen Gebrauch gegeben scheine; daraufhin wurde das Ansuchen abgewiesen. Ebenso versagte Sedlnitzky einem adeligen Rechtspraktikanten beim Pfleggericht Mattig- hofen auf das absprechende Urteil des Rieder Kreishauptmannes und des obderennsischen Landespräsidenten den Bezug verbotener Werke 24). Die Schede war nur zum Bezug des angesuchten Buches giltig und der Bezieher durfte es „ausschließlich zu eigenem Gebrauch“ besitzen. Wenn man die Geheimhaltung als nicht gegeben oder als zweifelhaft ansah, wies man Ansuchen ab. So geschah es beispielsweise einem Klagenfurter Kaffeesieder, der um „Blätter der Gegenwart“ (erga schedam) angesucht hatte. Ebenso gehen die 21 abschlägigen Bescheide, die Graf Deym in Krakau selbst erteilte, auf diese Auffassung zurück. Es handelte sich hier um 15 Bitten um die Breslauer25), 3 um die Schlesische Zeitung, 2 um La semaine; ein Unbekannter wollte den „Deutschen Zuschauer“. 12 dieser Gesuche entfielen auf Wirte und Konditoren. Deym wurde bei dieser Gelegenheit gleich von dem Wunsche der Staatskanzlei in Kenntnis gesetzt, daß man die Kölner, Bremer, Weser und Königsberger Zeitung nur ganz vertrauenswürdigen Personen geben möge26 *). Einmal findet sich auch der Widerruf einer Bewilligung. Der Leutnant Graf Kosiebrodzki in Salzburg hatte, weil der obderennsische Landespräsident sein Gesuch unterstützte, Scheden auf die verbotenen Werke Paul de Kocks Une jeune fille du faubourg und La pucelle de Belleville erhalten. Aber schon eine Woche später meldete der gleiche Landeschef, daß sich tadelnswerte Vorgänge abgespielt hätten, nach denen die vorteilhafte Charakteristik des Offiziers nicht stimmen könne, die Bewilligung 24) Das Gutachten liegt nicht bei. — Rudolf Rombald Ritter v. Hohenfels hatte um folgende Bücher angesucht: Buch der entschleierten Geheimnisse, Berlin 1840; Dämonische Reisen, Tübingen 1846; Wiener Kanzleizustände, Leipzig 1846; Dramatisch-romantische Geschichte der Jesuiten von Boucher, Tübingen 1846 (war noch unzensuriert). 25) Sie wurde dem preuß. Kammerherrn Grafen Pückler bewilligt. 26) Breslauer: 5 Wirte, 5 Konditoren (einer auch La semaine, die sonst noch ein Hauslehrer begehrte), je ein Lehrer, Pensionsvorsteher, Bürger, Kaufmann und Salzinspektor. — Schlesische: eine Witwe, ein Kaufmann und ein Konditor.