Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
PÁSZTOR, Lajos: Die ungarischen Katholiken und der Erste Weltkrieg
Die ungarischen Katholiken und der Erste Weltkrieg 405 Geboren im Jahre 1858, studierte er in Kom als Schüler des Collegium Germanicum-Hungaricum, lehrte dann Dogmatik an der theologischen Fakultät der Universität zu Budapest und wurde im Jahre 1905 Bischof. Ein Mann tiefer Gelehrsamkeit, ein Schriftsteller von internationalem Ruf, war er höchst empfindsam gegenüber sozialen Problemen42). Bischof Prohászka wandte sich vom Anfang an gegen den Weltkrieg. „Der Krieg“, schrieb er in seinem Tagebuch am 15. Jänner 1915, „ist viehische Rohheit, Feigheit, Narretei und Fluch Gottes“ 43). Die Kriegsbegeisterung, der kriegerische Romantizismus, der sich so schnell verbreitete, ekelte ihn an. Allerdings vertraute er diese seine Gefühle am Anfang nur seinem „Tagebuch“ an; in seinen Reden und Schriften wiederholte auch er den allgemein verbreiteten Gedanken, daß der Krieg der Ungarn gerecht sei, daß er also ausgefochten werden müsse. „Die Verteidigung des Vaterlandes ist eine Pflicht“, sagte er und obwohl er öffentlich erklärte, kein Freund des Krieges zu sein, betrachtete er es als eine Pflicht, daran teilzunehmen, da „der Haß unserer Nachbarn unser Vaterland der Segnungen des Friedens beraubt hat“ 44). Der Krieg ist nach seiner Meinung eine Strafe Gottes, die aber eine übernatürliche Mission zu erfüllen hat: die bessere Welt wird in der Tat nur aus den Trümmern des Krieges erstehen können. Das ungarische Volk ist im Laufe seiner Geschichte immer ein Märtyrervolk gewesen, in Verteidigung des Christentums und der Kultur; auch diesmal muß es seine Sendung erfüllen 42 * 44 45). Aber in seinen Soliloquia entsetzt er sich: „Es regnet und die Soldaten marschieren mit dem Rufe: es lebe der Krieg! Gibt es eine schändlichere Feigheit, einen schrecklicheren Wahnsinn? Und all dies geschieht unter dem Deckmantel des Patriotismus. Die Menschen sind von einer neuen Mentalität besessen: Spannung, Energieverbrauch, Mut, Opferbereitschaft, Treue! Ja, aber auf dem Karren der Brutalität und über Leichen hinweg! Nein, davon will ich hier nicht schreiben, noch weniger es loben. Ich weiß, daß in Kämpfen und Leiden großmütige Gefühle geboren werden, aber ich will nichts zu tun haben mit der mörderischen Welt. Das ist nicht die Welt Gottes, nicht die Welt Christi! Was sollte ich damit zu tun haben?“ „Die Atmosphäre rings um mich ist von Begeisterung erhitzt. Die Menschen scheinen von einem rasenden Fieber erfaßt zu sein. Aber, wenn ich tiefer schaue und mich frage, was vor sich geht, erschaudere ich ...“ 46 * 48). Es vergehen aber nicht viele Monate und seine innerliche Not bricht 42) Zur Biographie Prohászkas vgl. Bd. XXV (s. oben Anm. 5), S. 1—152. «) Bd. XXIII., S. 276. (15. Januar 1915). 44) Bd. XXII, S. 117 (1913); vgl. Bd. I, S. 261, Bd. X, S. 221 (1914). 45) Bd. X, S. 168—170 (1914); Bd. X, S. 186. Schütz datiert dieses Schreiben vom Jahre 1915. (Vgl. Bd. X, S. 182). Es handelt sich aber um eine Rede, die Prohászka am 7. November 1914 gehalten hat. Siehe „Hadi Beszédek“, Nr. 6, Budapest, 1915, S. 1. Vgl. noch Bd. X, S. 221—222 (1914). 48) Bd. XXIII, S. 270 (18. August 1914 und 23. September 1914).