Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

RILL, Gerhard: Jacobus Palaeologus (ca. 1520–1585). Ein Antitrinitarier als Schützling der Habsburger

Jacobus Palaeologus (ca. 1520—1585) 33 den, daß die bisher erschlossenen, sehr subjektiven Quellen für eine abge­rundete Biographie dieses merkwürdigen Mannes, die übrigens Aufgabe eines Theologen wäre, noch lange nicht ausreichen. I. In dem Gewebe von halben Wahrheiten und völlig haltlosen Konstruk­tionen, das Palaeologus über seine Vergangenheit gebreitet hat, bildet die Aussage über Herkunft und Elternhaus das immer wiederkehrende Haupt­motiv. Schon im Laufe seiner Wander- und Kerkerjahre scheint der ständig Verfolgte jene genealogische Legende geschaffen zu haben, von der er dann zu Beginn seines Prager Aufenthaltes ausgiebigen Gebrauch machte. Direkte Erklärungen liegen erst aus späterer Zeit vor. 1573, in seinem Be­richt über die Reise nach Chios und Konstantinopel, veröffentlichte Palaeologus die lateinische Übersetzung einer griechischen Inschrift, die er angeblich auf einem zu Ehren seines verstorbenen Vaters und der damals noch lebenden Mutter errichteten Kenotaph hatte anbringen lassen; die Namen der Eltern lauten hier: Theodorus Olympidarius Palaeologus und Thomasina Clavara15). Die dynastische Abkunft wird hingegen nicht direkt ausgesprochen, obwohl gerade der Reisebericht die erstaunlichsten Übertreibungen enthält. Deutlicher ist das älteste Protokoll der unitari­schen Schule von Klausenburg (wo Palaeologus während der siebziger Jahre wirkte): Jacobus erscheint hier als Enkel des Andreas (des angeblichen Vaters des Theodorus) und damit als legitimer Sprosse des byzantinischen Kaisergeschlechtes16). Eine phantastische Ausgestaltung erfuhr die Legende dann in der Disputatio scholastica: vier mährische Bekannte des Helden, darunter der Prager Erzbischof Anton Brus von Müglitz und Ladislaus von Pernstein, reisen eigens nach Chios, um die Angaben des Palaeologus über seine vornehme Abkunft zu überprüfen; sie werden von den Türken als Spione festgenommen, von Palaeologus jedoch, der über erstaunlichen Einfluß beim Gouverneur verfügt, freigelassen und auf wunderbare Art nach Hause geschickt17). Obwohl diese Episode (wie das ganze Werk) bewußt als Vision gekennzeichnet ist, hat sie in leicht abge­wandelter Form Eingang in die unitarische Tradition gefunden 18 *). Daß Palaeologus schon in Prag versuchte, gelehrte und mächtige Protektoren 15) Epistolarum Turcicarum liber IX., ex recensione N. Reusneri, Franco- furti 1599, 146. — Ein Teodoro Paleologo ist 1528 als Dragoman des vene­zianischen Orators in Konstantinopel bezeugt: I Diarii di Marino S a n u t o, edd. F. Stefani — G. Berchet — N. Barozzi, Venezia 1897, vol. 47, coli. 135, 210; vol. 49, col. 249. 16) A. Thorwächter, Kurze Chronik unitarischer Schulrectoren am Altklausenburger Collegium im XVI. Jahrhundert (Siebenbürgische Provinzial­blätter 2, 1807) 237 ff. 17) P i r n á t, Palaeologus 123 f.; Ideologie 109. 18) Landsteiner, Palaeologus 7. Mitteilungen, Band 16 3

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