Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
RILL, Gerhard: Jacobus Palaeologus (ca. 1520–1585). Ein Antitrinitarier als Schützling der Habsburger
Jacobus Palaeologus (ca. 1520—1585) 29 Geschicke verwickelt werden wollten; der „Palaeologe“ war nämlich ein abtrünniger Dominikaner und, wie sich bald herausstellte, vor kurzem erst von der römischen Inquisition in effigie den Flammen überantwortet worden. Den Grund dafür bildete seine Häresie, die allerdings erst in seinen späteren Lebensjahren als Zugehörigkeit zu den Nonadorantisten, der radikalsten Sekte der Antitrinitarier, greifbar wird. Er ist damit jener theologischen Richtung zuzuzählen, die aus den Trinitätsstreitigkeiten des zweiten Jahrhunderts hervorgegangen war, in verschiedenen Prämissen bei den Waldensern, bei Joachim von Fiore und im Nominalismus fortlebte, durch Marsilius Ficinus und die Lukrez-Renaissance latent gefördert wurde und schließlich fast gleichzeitig mit dem Beginn der Reformation in deutlicherer Form in den Niederlanden auftrat1). Der erste markante Vertreter dieser Lehre und zugleich ihr erster Märtyrer war der Spanier Michael Servet. Obgleich dieser keineswegs als Verfechter religiöser Toleranz anzusprechen ist, bildete sein Untergang (1552), den zu ermöglichen die Calvinisten auch die Hilfe der Inquisition nicht verschmäht hatten2), doch den Anlaß für leidenschaftliche Diskussionen. Die Reformatoren waren damit in den Augen Vieler genau so kompromittiert wie das Papsttum3), ja der calvinistische Gewissenszwang wurde zum Teil drückender empfunden als das Wirken der Inquisition4). Die Verbindung des Unitarismus mit dem Toleranzgedanken ging also zu einem guten Teil auf praktische Erfahrungen zurück und stand in Verbindung mit einer das Martyrium scheuenden Haltung, die man nach Calvin als „Nicodemis- mus“bezeichnet hat5). Zu diesen praktischen kamen die kausalen Zu') Aus der umfangreichen Literatur über die Antitrinitarier sind hervorzuheben: zahlreiche Abeiten von S. Kot, besonders: Ideologja polityczna i spoleczna Braci Polskich zwanych Arjanami, Warszawa 1932 (hier benützt in der englischen Übersetzung von E. Morse Wilbur, Socinianism in Poland: The Social and Political Ideas of the Polish Antitrinitarianism in the sexteenth and seventeenth centuries, Boston 1957); E. Morse Wilbur, A History of Uni- tarianism, Socinianism and its antecedents, Cambridge 1947, und A History of Unitarianism in Transylvania, England and America, Cambridge 1952; D. Cantimori, Italienische Haeretiker der Spätrenaissance, Basel 1949; A. Pirn át, Die Ideologie der Siebenbürger Antitrinitarier in den 1570er Jahren, Budapest 1961; weitere Literatur bei G. Schramm, Neue Ergebnisse der Antitrinitarier-Forschung (Jahrbücher für Geschichte Osteuropas NF 8, 1960, 421 ff.); zuletzt G. H. Williams, The Radical Reformation, Philadelphia 1962, 615 ff. 2) J. Leder, Histoire de la Tolérance au siede de la Réforme, 1, Paris 1955, 313 ff. 3) Vgl. P. C o s t i 1, André Dudith, humaniste hongrois 1533—1589; sa vie, son oeuvre et ses manuscrits grecs, Paris 1935, 143 f. 4) Schreiben Vergerio’s an Buliinger aus dem Jahre 1553, bei P. Paschin i, Episodi dell’inquisizione a Roma nei suoi primi decenni (Studi Romani 5, 1957) 288; vgl. auch D. Cantimori, Prospettive di storia ereticale italiana del Cinquecento, Bari 1960, 33 f. 5) Cantimori, Haeretiker 63, 124; Studi di storia (1959) 518 ff.; Prospettive 37 ff.