Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MEZLER-ANDELBERG, Helmut J.: Österreichs „Schwarze Legende“. Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns

Österreichs „Schwarze Legende' 229 selbständige, eigenberechtigte wissenschaftliche Disziplin erkämpfen konnte. An der Aufgabe, eine wirklich umfassende, alle historischen Faktoren gleicherweise berücksichtigende österreichische Geschichte zu schreiben, sind auch noch spätere Generationen gescheitert oder konnten doch ihr Problem nur unbefriedigend lösen. So war dies erst recht unmöglich in einer Zeit, die offiziell nur eine Geschichte der „österreichischen Staaten“ (wie der Titel des Faches etwa auch in den Hochschullehrplänen lautete), keine Gesamtstaatsgeschichte postulierte und die einen der Würde des Kaisers und der Dynastie gleichwertigen übergeordneten Begriff zumindest nicht in den Vordergrund stellen konnte34 35 36). Die österreichische Geschichts­schreibung hat nach Hormayr nur in den Arbeiten von Männern wie Kurz, Chmel und Lichnowsky für die Darstellung der mittelalterlichen Geschichte Ersprießliches geleistet, wenn er auch den „seltsamen Einfall“, die „Niebuhr-Straußische Wirtschaft“ heftig verurteilt, „Alles (freilich nur wenn es auf gegnerischer Seite steht) zu negiren und auszulassen, was erst etwas spätere, obschon höchst glaubwürdige Quellen, was redende Denk­male, was uralte Traditionen verbürgen, bloß weil darüber keine Rege­sten da sind, weil von diesen Weltstürmen nichts Einzelnes in die Cellen der Mönche von Melk, Stams, Zwettel, Salzburg oder Straßburg und Winter­thur gedrungen war“ 3ä). Für die Zeit nach dem Tode Maximilians I. mit ihren dornigen und klippenreichen Problemen des Auftretens der Refor­mation, der Ständekämpfe und der Vereinigung mit Böhmen und Ungarn „hatte auch das collektive Österreich oder die deutschen Habsburger kei­nen Geschichtsschreiber mehr und konnte keinen mehr haben!“ Seit den Ereignissen von 1526 wurde die österreichische Geschichte „fast zur bloßen Kriegshistorie, mehr noch zur bloßen Hauschronik der Dynastie und diese die dürre Spindel, an welcher auch die Geschicke der neuhinzu- gekommenen mächtigen Stämme der S 1 a v e n und Magyaren nebenher sollten abgewunden werden“ 38). Dazu der von allerhöchster Stelle geübte Druck, der einem „förmlichen Befehl zur Geschichtsverfälschung“ gleich­kam, „von den Ahnen des regierenden Hauses immer nur die Licht- und gar keine Schattenseiten zu zeigen“ 37). Ja, es kam soweit, daß durch die Sperre und gar Vernichtung von Quellen eine rechte Darstellung überhaupt unmöglich wurde 38). Diese Unterdrückung zeitigte die schwersten Folgen. „Niemand von einiger Bedeutung wagte sich bis zur Stunde noch an ein ehrliches, geistvolles Abbild der österreichischen Zustände, ohne in den Vorwurf leidenschaftlicher Gehässigkeit oder aber hündischer Lobhudelei 34) A. Lhotsky: Historiographie, S. 200. — O. Bruner: Das Haus Österreich und die Donaumonarchie. Festgabe dargebracht Harold Steinacker. München 1955, S. 122 ff. 35) J.v. Hormayr: Anemonen, II, S. 45. 36) J. v. H o r m a y r: Anemonen, II, S. 47. 37) J. v. H o r m a y r: Anemonen, II, S. 14. 38) J.v. Hormayr: Anemonen, II, S. 19 f.

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