Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MEZLER-ANDELBERG, Helmut J.: Österreichs „Schwarze Legende“. Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns

224 Helmut J. Mezler-Andelberg fikation auch auf Hormayr selbst zutrifft und seine Qualifikation als Ge­währsmann blitzartig erhellt. Hormayrs frühere Position im Staatsdienst, sein Ruf als Geschichtsforscher und Politiker mußten seinen Ausfällen erhöhte Glaubwürdigkeit verleihen und ihn zu einer gerne ausgeschlach­teten Quelle antiösterreichischer Äußerungen machen, wenn es auch deutlich ist, wie Verbitterung und Haß oft seine Feder führten. Von ihm stammt, schon um 1812 — also noch aus einer Zeit, da er in seinem „Plutarch“ das Lob des Kaiserstaates „übereilte und improvisierte“ 17 18)> die immer wieder als Topos wiederholte Bemerkung, daß Österreich ein bloßes unorgani­sches Länderkonglomerat sei, ohne lebendige Staatsidee, ein dynastisches Zufallsgebilde, ein „aus heterogenen Bestandteilen zusammengesetzter, eigentlich bloß zusammengeheirateter Staat“ ls). Damit wird an ein Grund­problem der österreichischen Geschichte gerührt und dem Aufbau der Monarchie jede höhere innere Rechtfertigung abgesprochen. Das über­nationale Österreich mußte unter dem Zeichen des geschlossenen National­staates als überholt, als ein „reiner Anachronismus“, eine ständige Her­ausforderung an die moderne Staatsidee erscheinen. Viel später bezeich- nete der führende schwedische Geopolitiker Kjellén es noch als „Über­bleibsel eines primitiven Entwicklungsstadiums, des mittelalterlichen Ter­ritorialstaates“ 19). Dieser schwere Vorhalt aus dem Beginn unseres Sae- culums ist, wie man sieht, schon alt. Seine Wurzeln reichen in das durch die Folgen der Französischen Revolution aufgewühlte Europa zu Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Bei Hormayr handelt es sich nicht um eine vereinzelte, aus der Laune eines Augenblickes formulierte Meinung. Noch viel später, im „Kaiser Franz“ heißt es über die Vereinigung Böhmens und Ungarns mit Österreich unter Ferdinand I.: „Niemand ahnte, welches Unglück dieses Zusammenzwängen so widerhaariger Bestandteile gar bald für diese Reiche selbst, für Deutschland aber und für die Dynastie ... haben würde“ 20) und in den von gehässiger Tendenz erfüllten „Anemonen“ lesen wir dazu: „Der Dominat so durchaus heterogener Bestandteile war jederzeit ein furchtbares, eine ganze Folgereihe großer Männer bedingen­des Problem. — Ein solches ist aber wider die Natur“ 21). Was er damit meint, wird an anderer Stelle deutlich, wenn er sagt: „Wahrhaft große Männer fehlten im Hause Habsburg wie Metternich durchgehends“ 22). Als die einzig wirklich Großen des Herrscherhauses will er nur dessen ersten und letzten regierenden Vertreter, König Rudolf I. und Maria Theresia, gelten lassen23). Mit dieser negativen Einschätzung steht Hormayr unter 1?) J. v. Hormayr: Anemonen, II, S. 37. 18) H. R. v. Srbik: Metternich, I, S. 755, Anm. zu S. 424. 19) R. Kjellén: Die Großmächte der Gegenwart. 15.—16. Aufl. Leipzig 1917, S. 12. 20) J. v. H o r m a y r: Kaiser Franz, S. 64. 21) J. v. H o r m a y r: Anemonen, II, S. 48. 22) J v. H o r m a y r: Kaiser Franz, S. 6. 23) J.v. Hormayr: Anemonen, II, S. 16.

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