Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
200 Berthold Sutter Neffe Franz so mit mir, wie kannst Du nur einen Augenblick schivan- ken und nicht zufrieden, ja stolz seyn den Hiesel im grünen Huth und groben Mantel vor Dir sitzen zu haben. Mein abgetragener Rock, meine irchgefärbte Hose, wenn ich damit in das Haus eines von Elend und Armuth gedrückten Landmannes trette, (sieht) er seinem Unglück nicht Hohn. Aber aller der Tand, an dem die Welt hänget und soviel Geld versplittert wohl. Darum bin ich stolz auf meinen alten Rock vor dem jeder, der den Sinn davon verstehen will, Ehrfurcht haben sollte, anstatt darüber zu kritteln und zu spötteln. Wäre ich in der Pracht, wie sie hier (glaube ich) nicht seyn muß, im Lande gereiset, hätte ich mir Feste etc. geben lassen, ich hätte nie die Wahrheit erfahren, nie die Herzen geöffnet, nie die Besseren mir zu Freunden erworben. Es ist eine ernste Sache, mit der nicht zu scherzen ist und die Du einsehen solltest; warum alles in meinem Hause zu dem Zwecke, nach welchem ich strebe, in Einklang seyn soll. Es ist mein fester unabänderlicher Wille, daß es so bleibe, wie es war, wie Du mein Haus betratest, daß da nicht geändert werde, in Leben, Kleidung, Kost, kurz in allen und daß mein Haus ein Beyspiel für alle werde, wie es unseren Zeiten gemäß überall sein sollte. Da muß aber die Frau wie der Herr seyn, so will ich es und darauf iverde ich unerbittlich streng halten. Darum rathe ich Dir, nie mehr Dir beykommen zu lassen, diesen Anzug meinem Kutscher zu geben ...“ Auffallend ist, daß sich in Erzherzog Johanns Tagebüchern nur wenige Stellen finden, die sich auf das Polizei- und Spitzelwesen 63) sowie auf die Zensur 64) beziehen, obwohl die Polizei ein recht wachsames Auge auf ihn 6s) Im Tagebuch des Erzherzogs für Anna Plochl heißt es unter dem 29. Jänner 1824: „Hier wird über alles /: Gott Lob nicht mehr über uns :/ geredet. Alles ist ... mißtrauisch, unzufrieden, voll banger Sorge über die Zukunft, keiner trauet dem anderen, denn er weiß nicht, ob ihn nicht da ein Policey-Spitzel umlauert.“ 84) Als 1839 die Wiener Zensurstelle der Bibliothek am Joanneum eine Menge Zeitschriften zu beziehen verbot, wie etwa die Göttingische gelehrten Anzeigen und die Literaturzeitung, stellte Erzherzog Johann die Frage (5. November): „Wäre es denn nicht besser, alle die elenden Mode-Journale, Theater Zeitungen etc., dieses schale, elende Zeug, was die Einbildungskraft reitzet und gar keinen Gehalt hat, zu verbiethen, als das, was auf ernstem Studium stehet. Glaubet man, daß man durch jene Mittel die Gewährleistung der Ruhe hat? Oder ist ein weiches, hysterisches, oberflächliches Volk nicht weit mehr gefährlich, da alles Edle, Kräftige zuletzt aus demselben schwindet. Ist denn die Geschichte verloren? Wie war es in Rom bey seinem Verfall? Wie in Byzanz? Wie in allen dergleichen Fällen? Wodurch fielen sie? Was untergrub ihre Kraft? Wer besiegte sie? In Mode- und Theater-Journalen, in den empfindsamen Romanen etc. stehet dies freylich nicht.“ — In gleicher Weise hatte sich der Erzherzog schon am 10. Juli 1836 in einem Brief an Joseph Freiherrn von Hammer-Purgstall geäußert: „... was soll ich darüber sagen — meine Überzeugung ist, man solle alles, was ernstes Wissen betrifft, was ge-