Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
176 Berthold Sutter drängte bereits 1824 den Kaiser, für eine Regentschaft Vorsorge zu treffen und Ferdinands jüngeren Bruder Franz für dieses Amt vorzubereiten, über dessen Geschwätzigkeit allerdings der Kaiser „bitter“ klagte24). Die Jahre zwischen 1824 und 1829 sind in dem Zeitraum von fünfzig Jahren zwischen Wagram und des Erzherzogs Tode die einzigen fünf, in welchen die Kritik an Österreich in den Tagebüchern — soweit der jetzige Bestand ein solches Urteil zuläßt— bedingt durch die damals recht opfer-, leid- und entsagungsvolle Liebe zu Anna Plochl25), seiner späteren Gemahlin und Gräfin von Meran, Freifrau von Brandhofen26), in den Hintergrund tritt27). Zudem ist der Charakter der Tagebücher in dieser Zeit verwandelt, da sie eine Art Brief-Tagebuch für seine spätere Gemahlin darstellen und es nur zu oft hier heißt, sie kenne ja seine Meinung oder er werde ihr nach seiner Rückkehr aus Wien alles berichten. Auch in dieser Zeit persönlichen Kummers „nagt“ in ihm die Sorge um Österreich, die ihn, da er nicht entscheidend eingreifen und das Schicksal wenden kann, tief innerlich zermürbt28). So finden sich selbst hier Stellen, wie folgende aus dem Jahre 1824: „Dies alles, was ich seit Jahren in Wien predige, glaubt man noch nicht, bis es zu späth seyn wird. Wer ziehet dann den Karren aus 24) Tagebucheintragung vom 14. Dezember 1824. — Wenige Monate zuvor, am 26. August 1824, schrieb Johann in sein Tagebuch: „Mein Herr setzet seine ganze Hoffnung in seinen Sohn Franz, . .. Er hoffet den Trost zu haben, in seinen Enkeln fortzuleben.“ 25) Eigenhändig von Metternich mit Bleistift geschriebene Weisung, eine schleunige, jedoch mit aller Umsicht zu erhebende Auskunft über die Familie Plochl in Aussee vorzulegen und Akt der Polizeihofstelle vom April 1822 im Verwaltungsarchiv Wien, Polizeihofstelle H. 99, 1823 f. 1—7. — Vgl. dazu auch Katalog der Erzherzog-Johann-Gedächtnisausstellung. Graz 1959, Nr. 155. — Die Ehegenehmigung durch Kaiser Franz I. H.H.St.A. Wien, Familienakten K. 52. 26) Zur Erhebung der Anna Plochl in den deutsch-erbländischen Freiherrnstand am 4. Juli 1834 durch Kaiser Franz I. Verwaltungsarchiv Wien, Adelsakten: Brandhofer 216 aus 1834. — Zur Erhebung der Freifrau von Brandhofen in den Grafenstand am 26. März 1850 durch Kaiser Franz Joseph I. Verwaltungsarchiv Wien, Ministerium des Innern, 3310 aus 1850. — Entscheid des Ministerpräsidenten Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein vom 14. Dezember 1852 über die Nichtaufnahme der Gemahlin Erzherzog Johanns und ihres Sohnes in die Genealogie des Kaiserhauses H.H.St.A. Wien, Neue Zere- monial-Akten 221. f. 4—6. 27) Vgl. dazu Johann, Erzherzog von Österreich: Der Brandhofer und seine Hausfrau. Hrsg. v. a. Wokaun, 2. Aufl. von W. Koschatzky. Graz 1959. — Auch diese eigenhändigen Aufzeichnungen Erzherzog Johanns gingen im Original im Jahre 1945 für immer verloren. 26) Tagebuch vom 5. Mai 1824: „... ich werde älter und welche Zeiten uns bevorstehen, weiß Gott allein. Ich werde mürrischer, und das ist stärker als ich selbst.“ Nur zwei Tage später klagt der Erzherzog: „Bin ich grantig, so mögen sie es mir verzeihen. Ich habe auch ein Herz, was sehr leicht aufgeregt wird, weil es an so vielen Wunden geblutet hat; viel kann es nicht mehr ertragen.“