Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 167 gesprochen, gebeten, gemahnt, gefordert und gewirkt. Er war ein Herold des Volkes, des Fortschrittes und der gesunden staatlichen Entwicklung. In seinen Tagebüchern — soweit sie das Kriegsende 1945 überstanden haben 4) — nehmen die Angelegenheiten des von ihm gegründeten National­museums Joanneum einen überraschend kleinen, seine wissenschaftlichen Interessen fast keinen Platz ein, aber auf unzählbaren Seiten sind die brennenden Sorgen um Österreich niedergeschrieben. Er fuhr — wenn auch nicht gerne — so doch jedes Jahr mehrmals in die kaiserliche Resi­denz, er war jedes Jahr Wochen, oft mehrere Monate dort, um mit den führenden Männern im Staate, vor allem mit Metternich5), zu unter­handeln. Im Gegensatz zu Erzherzog Karl, der Metternich in aller Schroff­heit seine Ablehnung bekundete 6) und es „unter seiner Würde“ fand, mit 4) Mehr als die Hälfte der Tagebücher, die vom Mai 1810 bis zu seinem Tode fast lückenlos und gewisenhaft geführt worden waren, gingen durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse im Jahre 1945 für immer verloren. Vgl. dazu, sowie über ihren echten Quellenwert: V. Theiß: Leben u. Wirken a. a. O. S. 9—13. — Die Ausschöpfung der meist noch unverwerteten Tage­bücher ist insoferne gerechtfertigt, als Erzherzog Johann selbst mehrfach beteuert, seine Meinung im Tagebuch niedergeschrieben zu haben, damit die Nachwelt wisse, wie er gedacht und gefühlt habe. — Benützt wurden hier die von den Herren Univ.-Professoren Hugo H a n t s c h und Hellmuth R ö s s 1 e r, sowie w. Hofrat Viktor Theiß vor 1938 bzw. 1940 angefertigten Abschriften im Archiv Meran (verwahrt im Steiermärkischen Landesarchiv, Graz). 5) Tagebucheintragung 21.—25. Feber 1817: „Er ist der Einzige und der redliche Sedlnitzky, Präsident der Polizei, dem ich mein Herz über all meine Ansichten öffnen kann, und welchen Beyden ich alles mitteile, was ich über was immer für einen Gegenstand höre und erfahre. Geheimnisse habe ich keine und satt werde ich, alles in mich zu verschliessen.“ 6) Tagebucheintragung vom 27. Dezember 1817: ........ wenn Carl es nicht u nter seiner Würde gehalten hätte, mit jenen gut zu seyn, die des Kaisers Vertrauen gemessen, so wäre manches Gute entsprossen, allein von jeher das Streben nach einer gewissen Suprematie, die leider oft in Despotisme ausartete und Kaiser und seine Beamten beleidigte, ein gewisser Stolz und im Glück Über- muth; und kein mässiges Einlenken, wenn man zu weit gegangen, keine Be­scheidenheit und Selbstverläugnung zeigte sich jemals da. So Fassbender, so früher die Adjutanten, so Grüne etc. Dies macht, dass Carls Laufbahn izt in Stocken gerieth und solange die Umstände so bleiben, er nie angestellet werden wird. Mir wird es dort sehr übel genommen, dass ich mich Metternich genähert, dass ich mit ihm gut bin, in ihrem Eigendünkel oder Neid, da sie fürchten, ich der Nebenbuhler des Ruhmes, o bone Deus! möchte zu etwas kommen und mich erheben, legen mein Gutseyn mit Metternich als eine Niederträchtigkeit und Kriecherey aus, vergessen aber, daß ich mit Cobenzl und Stadion so war, und dass ich es zum Grundsatz habe, meinem Herrn zu dienen mich ver­gessend, dass ich daher alle die kleinlichen Leidenschaften vergesse und meinen Weg fortgehe, dass ich Metternichs Verstand und übrigen guten Eigenschaften kenne, und dass ich glaube, dass wenn man vereint mit ihm arbeitet, Gutes nur entstehen kann .. .“ Und einige Zeilen später schreibt Johann im Zusammen­hang mit der Frage des Kommandos über die deutschen Bundestruppen: „Dahin strebet, wie billig, Carl. Er hat es um Deutschland verdient, sein Ruhm, seine Verbindung, kurz alles machet ihn dazu geeignet und ich wünsche es ihm

Next

/
Oldalképek
Tartalom