Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

140 Georg Wagner Am 3. Juni 1663 aber hatte man im „Consejo“ ernsthaft die Nach­richten des „Embaxador de Alemania“ erörtert über die „negociaciones que los Franceses adelantán en todas partes en gran perjuicio de la Augustisima Casa“. In diesem Zusammenhang sah man sich wegen des Hochspielens der Korsenaffäre durch Ludwig XIV. und seiner Einfalls­drohung in den Kirchenstaat gezwungen, „socorrer el Pontefice con mil infantes y otros tantos cavallos“ (E 2376) ins Auge zu fassen. In der Sitzung vom 9. August 1663 mußten sich Sanlúear, Velada, Alva und Mortara im Zusammenhang mit den Berichten Portias mit einem Schreiben des allerchristlichsten Königs an den Sultan befassen: „el Rey Xmo [Cristianisimo] havia escrito al Sultano, que ahora hara la mejor ocasion de romper la guerra con el Sr. [Senor] Emperador“ (E 2376). Es könnte also nicht unmöglich sein, daß Ludwig XIV., gerade um diesen in Europa umgehenden Gerüchten eines Zusammenspiels mit den Türken in den Spuren seiner Vorgänger Franz I. und Heinrich II. gegen den Kaiser entgegenzutreten, sein Hilfskorps umso williger entsandte. Zumindest darf man dies als einen der Gründe für die prompte Entsen­dung ansprechen. Wird somit nicht zuletzt als Gegenwirkung auf die französischen all­seitigen Contraminierungen (Lahmlegung der päpstlichen Hilfe durch In­vasionsdrohung, heimliche Hilfe an Portugal, um es im Kriege gegen Spanien zu erhalten, wovon Ludwig XIV. auch in seinen „Memoiren“ spricht; Ermutigung des Großherrn, der angesichts der ihm bekannten zögernden Hilfe des Reichstags, der viel zu spät erst im Sommer 1663 zusammentrat, umsomehr zum Kriege ermutigt wurde) die spanische Sub- sidienhilfe an den Kaiser, dessen Heer somit etwa zu einem Drittel von Spanien besoldet erscheint (freilich ungerechnet die sonstigen Kosten da­für: Pulver, Kugeln, Proviant, Ausrüstung!), umso verständlicher, so ändern die französischen Umtriebe dennoch nichts an der Tatsache, daß de facto das französische Korps bei St. Gotthard zu Wiens und Österreichs Rettung beigetragen hat und für kurze Zeit, der Augenblicksnot entsprun­gen, ein militantes europäisches Zusammenwirken zu verzeichnen war, das für spätere Zeiten Schule machen konnte. Es stellte bereits einen kleinen seine Genugtuung darüber, daß es ihm endlich gelungen war, auch den Kur­fürsten von Trier zum Eintritt in den zu prolongierenden Rheinbund zu gewinnen, weil er damit nun „vier Kurfürsten in seinem Interesse habe, wäh­rend dem Kaiser nur drei verblieben“ : „que j’ai par ce moyen 4 Electeurs dans mes interéts, n’en restant que trois ä l’Empereur“. Da man diese Politik des Rheinbundprotektors kannte, hatte man sich ja in Wien so lange —• und erst der äußersten Not nachgebend — gesträubt, seine Hilfe im Rahmen des Rhein­bundstatuts anzunehmen, da man ja dann auf diese Weise seine reichsauflösende Politik sanktionierte. Vgl. G. E. Guhrauer, Kurmainz i. d. Epoche v. 1672, Ham­burg 1839, Anhang, 301. Dort Wortlaut des zitierten Schreibens aus Fontaine­bleau vom 12. Aug. 1661. Vgl. auch Georg Mentz, Joh. Phil. v. Schönborn, Kur­fürst von Mainz, Bischof v. Würzburg u. Worms, 1605—1673, Jena, 2 Bde., 1896—99, Bd. I, 40 ff.

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