Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

Wiener Hof, Ludwig XIV. u. die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65 135 voll sein. Das ungarische Korps von etwa viereinhalbtausend Mann hielt unterhalb St. Gotthard Wache und war — wie Paul Esterházy seinem Generalwachtmeister Stauffenberg später mitteilte, deshalb nicht zur Schlacht avanciert, da in seinem Kriegsrat die Meinung herrschte: „ ... avancirten sie gegen uns [in Richtung der Christen] möchten sie vielleicht von den Frantzosen vor Türcken geurtheilt und nidergemacht werden“. Das einzige Unterscheidungsmerkmal war nämlich bloß der Turban. Aus der Verwechslung der Ungarn mit den Türken war übrigens auch die — fast den Verlust der Schlacht verursachende — Falschmel­dung entstanden, die Türken hätten bei St. Gotthard am Frühnachmittag des 1. August 1664 bereits über den Fluß gesetzt und bedrohten den linken französischen Flügel, was Coligny veranlaßt hatte, vom Zentrum auf seinen angeblich bedrohten Flügel zu eilen, so daß La Feuillade im Zentrum beim Schlußangriff der Christen in den Raabbogen hinein die Ehre des Tages hatte. Aus alledem ersehen wir, wie als „Frucht“ von St. Gotthard-Mogers- dorf nicht nur der für Österreichs Existenz unabdingbare Waffenstillstand von Vasvár, sondern gleichzeitig auch jener Kontakt zwischen Franzosen und hochadeligen Ungarn entsteht, der letzteren einen wesentlichen Rück­halt zur Entfaltung jener tragischen Verschwörung bietet, die im Jahre 1670 entdeckt wird, zusammenbricht und — nach Hochverratsprozessen — mit der Hinrichtung der führenden „interessati“ (Malcontenten) Peter Zrínyi, Franz Nádasdy, Franz Frangepani und Hans Erasmus von Tatten- bach ein vorläufiges Ende findet. Die Exekution Zrinyis und Frangepanis erfolgte am 30. April 1671 in Wiener Neustadt, jene Nádasdys am gleichen Tage in Wien (Rathaus). Tattenbach wurde am 1. Dezember 1671 in Graz hingerichtet; der mitver­wickelte Görzer Landeshauptmann Karl Graf Thurn erhielt lebenslange Festungshaft und endete sein Leben auf dem Grazer Schloßberg 1689 9S). * 20 98) Vgl. Krones, III, 614 f., 0. Redlich, Weltmacht d. Barock, 211 f. Es ist hier weder der Raum, noch hat es viel Sinn, die ungarischen Geschichtshand­bücher des 19. (Engel, Feßler, Szalay, Horváth etc.) und der ersten Hälfte des 20. Jhts. zu zitieren. Die wichtigen findet man bei Fr. Krones, a. a. 0., und O. Red­lich, a. a. O. Ohne ihren Wert schmälern zu wollen, so trüben ihnen alte Leiden­schaften zumeist noch die Sicht. Man braucht sich nur folgenden übersetzten Abschnitt von dem sonst hervorragenden Jul. Pauler aus: Wesselényi és tár­séinak összeesküvées I, 39, über Leopold I. zu Gemüte führen, um danach fest­zustellen, daß man bei Béla Obál (über ihn vgl. Theodor Mayer in MIÖG XXXIV, 182), Imre Karácson (z. B. im Kommentar seiner Ausgabe von: Evlia Cselebi magyarországi utazásai [Die Reisen des E. C. in Ungarn — mit seinem Augen­zeugenbericht von St. Gotthard; dort die erwähnten Kommentare!], Budapest 1908, II, 63 ff.) und sogar bei Dominik Kosáry, Les Fran?ais en Hongrie, 1946, ähnliche Einseitigkeiten findet; insbesondere gegenüber der Politik Leopolds I. und der Kommandoführung Montecuccolis: diese Spannung kommt auch in den von A. Veltzé hrsg. „Ausgewählten Schriften ... Montecuccolis“, 4 Bde., Wien 1899—1901, von seiten Montecuccolis zum Ausdruck. M. war für Strenge gegen-

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