Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)

SILAGI, Denis: Aktenstücke zur Geschichte des Ignaz von Martinovics

Aktenstücke zur Geschichte des Ignaz von Martinovics 249 von Kaiser Franz. Martinovics’ von Gotthardi überschwänglich gepriesene Tätigkeit wurde weiterhin streng geheim gehalten, es durften von ihr außer Gotthardi nur Colloredo und der Kaiser Kenntnis haben. Über das Verhältnis Martinovics’ zu dem Anfang 1793 wiedererrichteten Polizeiministerium vermochte das Schrifttum bis jetzt wenig zu sagen; die Schlüsse, die aus dem Wenigen gezogen zu werden pflegten, erweisen sich nach der Konfrontierung mit der Gesamtheit der erreichbaren Quellen nicht durchwegs als stichhaltig. Nach der Wiedererrichtung des Polizeiministeriums, die im September 1792 beschlossen war und zu Beginn des Jahres 1793 vollzogen wurde, hatte Gotthardi seine Informationen statt an Colloredo an den Grafen Johann von Pergen zu leiten. Gotthardi wurde aber formell nicht der Polizei zu­geteilt. Um diese Zeit ernannte ihn der Kaiser — ausdrücklich in An­erkennung seiner Verdienste um die Kegierung der Kaiser Joseph II. und Leopold II. unter Erlaß der Gebühren — zum niederösterreichischen Titu- lar-Regierungsrat. Eine der ersten Bemühungen Gotthardis in seiner neuen, tatsächlich trotz allem mit dem Polizeiministerium verbundenen Position galt dem Ziel, für den bevorzugten Informator und Freund Martinovics eine Sonder­stellung zu erwirken. Am 10. Januar 1793 hat Gotthardi den Grafen Collo­redo11), man möge für den Professor, der befürchte, durch Indiskretionen im Polizeiministerium bloßgestellt zu werden, eine Ausnahmeregelung tref­fen; der Titular-Regierungsrat verlangte dabei nicht weniger, als daß man Namen und Rapporte Martinovics’ auch vor dem Polizeiminister Grafen Pergen geheimhalten, und die Berichterstattung durch den Professor, wie zuvor, über Gotthardi und Colloredo, also unter Umgehung des Polizei­ministeriums, an den Kaiser gelangen möge. Gotthardi konnte kaum das Gefühl haben, in Ungnade und vom Hof verstoßen zu sein, wenn er einen solchen Wunsch vorzubringen imstande war. Seine Bitte wurde freilich nicht erfüllt, und schon in der zweiten Ja­nuar-Hälfte 1793 erschien der Name Martinovics’ in einer Note Pergens an Kaiser Franz12) (wobei der Minister empfahl, den Professor in ge­heimem Auftrag nach Böhmen zu entsenden). In den folgenden Akten­stücken wurde es aber geradezu ängstlich vermieden, den Namen Martino­vics’ zu nennen, es war immer nur von „dem Bekannten“ u. ä. die Rede, und Pergen griff gelegentlich — auch aus seinem halbjährigen Urlaub — selbst zur Feder, um dem Kaiser seine Meinung über Martinovics’ Mittei­lungen zu unterbreiten. In der zweiten Märzhälfte wollte Martinovics von bedenklichen anti­dynastischen Regungen in Ungarn erfahren haben. Gotthardi unterrichtete hiervon Pergen am 26. März 1793 und teilte sogleich mit, „der bekannte n) HHStA, Vertr.Akten, Fasz. 38, fol. 323 f. (unpubliziert). 12) Alig. Verwaltungsarchiv Wien, Pergen-Akten VIII/11, H. 3 (abgedruckt in „Schriften der ungarischen Jakobiner“ I, 870f.).

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