Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)

AUER, Erwin M.: Die Präbende des Ordens vom Goldenen Vlies

4 Erwin M. Auer zu sein, die an Stelle jener von Herzog Philipp dem Guten für unverschul­det verarmte Ritter beabsichtigten Stiftung zu treten hatte, die nach An­sicht der Ordenskanzlei 1430 wirklich errichtet worden und lediglich im Laufe der Zeit erloschen sein sollte15). Da die Ordenskanzlei überdies, wie im nächsten Kapitel näher ausgeführt wird, zur Führung der Geschäfte einen Ordensfonds zur Verfügung hatte und damit ein Anfangskapital für die zu stiftende Toison-Ordens-Präbende vorhanden war, entschloß sich der Kaiser als Souverain des Ordens zu dieser Stiftung und beauftragte den Ordenskanzler mit der Ausarbeitung des diesbezüglichen Stiftbriefes, der in seiner Erstausfertigung am 16. Mai 1830 durch die Unterschrift des Kaisers Rechtskraft erlangte. Die feierliche Kundmachung der Neustiftung einer Toison-Ordens-Prä­bende war für die Säkularfeier des Ordens vorgesehen, die — ursprünglich auf zwei Tage verteilt — am 15. und 16. Mai 1830 hätte stattfinden sollen. Wegen Unpäßlichkeit Sr. Majestät1B) wurde das Fest vorerst auf den 19. und 20. Mai verschoben, dann aber für den 22. Mai 1830 endgültig ange­sagt, wobei aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Kaisers der kirchlich-religiöse Teil der Feier gestrichen wurde und dadurch das nur mehr auf das interne General-Kapitel und die öffentliche Promotion be­schränkte Fest in wenigen Mittagsstunden dieses Samstags abgewickelt werden konnte. Zum General-Kapitel versammelten sich damals um ^11 Uhr die Ritter des Vließordens in vollem Ordens-Costume in der geheimen Ratsstube der Wiener Hofburg und, nachdem der Ordenssouverain durch den Ordens-Doyen Fürst Esterházy de Galantha aus seinem Privatgemä­chern eingeholt worden war und auf dem Throne Platz genommen hatte, verlas der Ordenskanzler in einer lateinischen Ansprache 17) jene placita, Ordens vom Goldenen Vließ Anton Freiherr Pachner von Eggenstorf in seiner Vorerinnerung zum Toison Ordens Protokoll 1800—1860 auf Seite 5 f., daß, wie vorliegt, die Ordenskanzler von Pfleger, Freiherr von Münch, von Heß und wohl auch noch Freiherr von Pilgram, sämmtlich hochangesehene Mitglieder des be­standenen Staatsrathes, die neueren Ordens-Acten zu sich in ihre Bureaux und Wohnungen nahmen, von wo sie nach ihrem Tode, vermehrt durch die neu zu­gewachsenen, von ihnen selbst gearbeiteten Acten unprotokollirt und unindicirt zusammengelesen und ungeordnet in Fascikel gebunden, in die Hände des nach­folgenden Kanzlers wanderten, bei dem sich dann die gleiche Procedur wieder­holte. Daß unter solchen Umständen die von früheren Kanzlern persönlich be­arbeiteten Akten bereits 1872 nur mehr unvollständig vorhanden waren, liegt nahe. Vgl. auch unten Anm. 108 und 149. 15) Vel. die Narratio des Stiftbriefes der Toison-Ordens-Präbende im Anhang I. 1B) OHMA, Hofzeremonialprotokoll vom Jahre 1830, fol. 35. 17) Allocutio ad Fquites aurei Velleris ordinis in Comitiis congregatos habita die 22" Maji 1830 a Cajetano L. Barone a Münch-Bellinghausen, Consiliario Sta­tus et C. R. Majestati Francisco Imo a Consiliis Conferendis, p. t. Cancellario inclyti hujus Ordinis. [Wien 1830], Diese 10 Seiten starke lithographierte Bro­schüre wurde von der Kanzlei des Ordens aufgelegt und an die Ordensritter sowie an hochgestellte Persönlichkeiten vornehmlich der Hofstäbe verteilt. Kon-

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