Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
WOINOVICH, Maria: Philipp Freiherr von Krauß, Finanzminister im Jahr 1848
550 Maria Woinovich binettschreiben ernannt. Kübeck jedoch befand sich an diesem Tage nicht in Wien, sondern auf der Reise nach seinem Gute Lechwitz in Mähren, nachdem ihm schon am 18. März ein längerer Krankenurlaub gewährt worden war. Bereits am 28. März suchte Kübeck von Lechwitz aus um die Enthebung vom Posten des Finanzministers an. Der Ministerrat war kaum zusammengetreten und schon stand er vor der Frage, wer nun das Portefeuille des Finanzministers übernehmen sollte. Nachdem Franz Graf von Stadion, Gouverneur des k. k. Landesguberniums in Galizien, der von Kübeck selbst an erster Stelle als sein Nachfolger vorgeschlagen worden war, die Berufung abgelehnt hatte, wurde der zweite Gubernial-Präsident, Philipp Freiherr von Krauß, mit Appell an seine „Gesinnung, Vaterlandsliebe und Geschäftserfahrungen“ durch a. h. Kabinettschreiben vom 2. April 1848 zur Amtsübernahme förmlich befohlen6). Der Ministerrat hatte sich in der Sitzung vom 1. April zu einer kategorischen Berufung des Freiherrn von Krauß entschlossen, um jeder Einsprache des Grafen Stadion gegen die Abberufung seines Untergebenen zuvorzukommen 7). Philipp Freiherr von Krauß wurde am 28. März 1792 zu Lemberg geboren. Die Familie stammt aus Bayern. Der Vater, Philipp Krauß, war im 18. Jahrhundert nach Österreich eingewandert und starb im Jahre 1824 als k.k. Provinzial-Staatsbuchhalter in Lemberg8)9). Die drei Söhne — Karl, Philipp und Franz — widmeten sich alle erfolgreich dem Staatsdienst. Philipp hatte seine ausgezeichneten Studien noch vor Vollendung des 20. Lebensjahres abgeschlossen und diente seit dem Jahre 1811 in verschiedenartigen und schwierigen Verwendungen mit außergewöhnlich schneller Beförderung in der Verwaltung Galiziens bis zu seiner Einberufung zur k. k. allgemeinen Hofkammer im Jahre 1826. Im gleichen Jahre erfolgte die Ernennung zum wirklichen Hofrat. 1835 wurde Krauß in den Adelsstand erhoben 10) und 1847 in den Freiherrnstand11)- Indessen war Krauß im Dezember 1840 als staatsrätlicher Referent in den Staatsrat berufen worden, bis er 1847 zum zweiten Präsidenten des galizischen Landesguberniums in Lemberg bestimmt wurde. Von dort befahl ihn nun das a. h. Kabinettschreiben auf den Posten des Finanzministers. Noch vor seinem Eintreffen in Wien fanden am 4., 7. und 9. April Ministerratssitzungen statt, denen der Vizepräsident der allgemeinen Hofkam6) Haus-, Hof- und Staatsarchiv (späterhin zitiert mit H. H. St. A.), Ministerrats-Akten (späterhin zitiert mit M.R.A.) 12/1848. F. A. 3111/P.P./1848. 7) H. H. St. A., M. R. A. 12/1848. 8) Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser auf das Jahr 1864, Jahrgang 14, S. 431. 9) Anonym (Anton Freiherr von Hye-Glunek), Philipp Freiherr von Krauß, Ein Nekrolog, Wien, 1861, S. 3 f. 16) F. A. 4892/P. P./1835. n) Gothaisches Taschenbuch a. a. 0.