Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise

Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise 545 Weggenossin finden würde, die es mit seiner unstillbaren Wanderlust auf­zunehmen imstande wäre. Und doch zeichnet sich die Eigenwilligkeit seiner späteren Wahl schon ab, denn „Namen, Titel, Ruf heurathen, ist mir nicht genug, ich würde mich bemühen, daß meine Persönlichkeit etwas gelte“ und er war sich bewußt, „in solchen Dingen hilft Gelehrsamkeit etc. etc. Ge- schichtskenntniß nichts, da steht Mensch gegen Mensch als solcher, da ge­hört Kenntniß des Herzens und seiner Triebfeder, des Gemüthes und der Lebensart“ 63). Ins gleiche Jahr 1819 fiel Johanns erste Begegnung mit Anna Plochl64): „Es ist eine Alpenpflanze, die schön und bescheiden blühet und sich nicht verlanget, in dem Treibhause der Städte zwischen den andern Pflanzen der aequinoctial Gegenden zu stehen“ 65). Diese ein Jahrzehnt nach jener ersten Begegnung niedergelegte Kennzeichnung Annas entstammt einem Brief, in dem Johann neben all seinem häuslichen Glück auch all den Kummer zum Ausdruck brachte, den seines kaiserlichen Bruders langjährige Weigerung, einer rechtskräftigen Eheschließung seine Zustimmung zu geben, verur­sachte. „Sechs volle Jahre seit dem Tage, als ich die Sache in Wienn in An­regung brachte, sind vergangen, täglich hat mir dieses in meinem Innern Kummer gemacht und an meiner Gesundheit gegraben — aber Gott weiß es, ich habe aus Edelmuth (ich sage es nicht, um mich zu loben) geschwie­gen, gelitten, getragen und gewartet, ob der Herr denn doch nicht einmal fragen würde —- denn das mir etwas fehle, mußte er mir ansehen. Bisher ist es nicht geschehen — vielleicht geschieht es jetzt — das wolle Gott. Dieses ausgenommen ist alles gut und ich recht zufrieden — denn ich habe jenes gefunden, was allein für meinen Caracter anpasset — ja wahrlich mehr als ich verdiene — ein reines Herz, guten Verstand, sanftes Gemüth, stilles eingezogenes Wesen, ein Herz, was auch tröstet und aufrichtet, was sich täglich mehr bewähret und mich vieler Sorgen überhebt“ 66 *). Ein halbes Jahr später aber konnte Johann Marie Louisen berichten, daß „alles in Ordnung ist und ich alle Ursache habe, Gott dafür zu danken. Mehr kann ich nicht schreiben“ 87)! Aber auch noch in den folgenden Jah­ren behielt Johann die schon bis dahin gewohnte eigenartige Gepflogenheit bei, in seinen Briefen nicht direkt von „seiner Frau“ zu sprechen, sondern allerhand Umschreibungen zu gebrauchen. Dies änderte sich erst nach dem Tod Kaiser Franzens. Und wieder ein paar Jahre später schrieb Johann seiner Nichte einen Brief, der nicht nur ein wichtiges Ereignis seines Le­bens behandelt, sondern seinem Vertrauensverhältnis zu ihr beredten Aus­druck gibt. Er sah Vaterfreuden entgegen und ließ es Marie Louise wissen. u;1) Nr. 25 vom 1. 2. 1819. M) Geb. 6. 1. 1804, gest. 4. 8. 1885. «5) Nr. 36 vom 16. 1. 1829. 66) Ibid. Vgl. über die ganze Liebesgeschichte Johanns Schilderung in „Der Brandhofer und seine Hausfrau“, hrsg. in 2. Aufl. v. Walter Koschatzky, Graz 1959. «7) Nr. 37 vom 18. 7. 1829. Die Eheschließung erfolgte am 18. 2. 1829. Mitteilungen, Band 14 35

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