Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

RILL, Gerhard: Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706)

Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706) 323 einst Tiberius (nach den Annalen des Tacitus) 21 vor dem Senat. Erst nach drei Tagen gab er seinen fingierten Widerstand gegen Annahme der Wahl auf, — zur Freude derer, die ihm glaubten, und zum Schrecken derer, die das Spiel durchschauten. (2) Sein Bestes leistet er in der simulación con todos. El arte que mantuvo par a merecer de cortesano, lo conserva aora que ya no tiene más que merecer. En la conversación es ameno, blando en las palabras, y compadece, aun con lágrimas, las miserias de los subditos hasta que están a sus pies; a todos ofrece consuelo, y a ninguno se sabe que le haya alibiado en sus trabajos; fuera un gran principe temporal si todo lo que sabe dissimular con el decir, no se descubriera facilmente con el hacer. (3) Er hat unfähige Minister gewählt, um besser allein regieren zu können. (4) Er möchte seine in kleinen Verhältnissen lebenden Angehörigen bereichern, kann aber ihre Ansprüche nie befriedigen. (5) Er hat zu Beginn des Pontifikates erklärt, che era padre común, y en los intereses de los principes católicos no tenia interes sino de la concordia y la paz, — doch handelte er dann ganz anders; er war schon als Kardinal Parteigänger der Franzosen, und man glaubt, daß er ihnen gegenüber auch im Konklave Ver­pflichtungen eingegangen sei. Wenn Lamberg (ad 1) im Anschluß an die viel breitere Ausführung des Tiberius-Gleichnisses in der Relazione22) das Widerstreben Clemens’ XI. gegen die Annahme der Papstwahl als Kunstgriff kennzeichnen will, dann folgt er damit — im Gegensatz zu seinen sonstigen Angriffen gegen den Papst — seiner ursprünglichen Ansicht23). Nun blieb zwar die Gesinnung des Kardinals Albani im Konklave nicht unumstritten, — Erizzo hat seine Skepsis in diesem Punkt sehr vorsichtig formuliert24), — es besteht jedoch kein stichhaltiger Grund, den Verdächtigungen Lambergs Glauben zu schenken. Anders ist das Verhältnis bei der Charakterisierung des Papstes: Lamberg stimmt hier nicht nur mit anderen Quellen überein, sein Urteil läßt sich teilweise auch in das der indifferenten und panegyrischen Stim­21) T ac. Ann. I 11—12. 22) Relazione istorica fol. 28r v, wo Lipsius als Tacitusinterpret ausdrücklich erwähnt wird. Vgl. dazu alig. Jósé Ruysschaert, Juste Lipse et les Annales de Tacite (Université de Louvain: Recueil de travaux d’histoire et der Philologie 3» sér., 34, 1949). — Auf die in der staatspolitischen Literatur häufigen An­spielungen auf den Tiberius der Annalen weist Friedrich Meinecke, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte (München-Berlin 1924) 96 f., 150, hin. 23) Onno Klopp, Der Fall des Hauses Stuart, 9 (Wien 1881) 50 f.; Gal­land, Die Papstwahl des Jahres 1700, 599. 24) Finalrelation des venezianischen Botschafters Nicolö Erizzo vom 4. No­vember 1702, bei: Bartolomeo Cecchetti, La republica di Venezia e la Corte di Roma nei rapporti della religione, 2 (Venezia 1874) 328: Era veramente un effetto di profonda umiltä il suo rifiuto e le sue lagrime; ma vi fü chi credette tutto finto . . . Cedesse infine o parve piuttosto che cedesse per scrupulo . . . ma appena ebbe intrapreso il gran ministero, che . . . fece capire agli ambasciatori che bisognava rinontiassero a molte novitä introdotte . . . Vgl. ferner: (Christ. Gottlieb B u d e r), Leben und Thaten des klugen und berühmten Pabsts demen­tis des Eilfften, 1 (Frankfurt 1720) 95 f.; Albert Le Roy, La France et Rome de 1700 a 1715: Le Gallicanisme au XVIII« siede (Paris 1892) 75 f.; dagegen Pastor 15, 4 ff. und die dort zitierte Literatur. 21*

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