Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

RILL, Gerhard: Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706)

320 Gerhard Rill Leicht zu durchschauen war dieser fromme Eifer allerdings, als der Papst einen Teil der für die spanische Nationalkirche S. Giacomo getätigten Stiftungen für die Dotation eines von ihm gegründeten Klosters in Urbino verwendete«; »Re­ligentem oporte esse, religiosum nefas“! Ein Fürst ist nämlich nicht dann ein guter Katholik, wenn er in erheuchelter Frömmigkeit zugibt, daß die „Religion“ seine Interessen verletzt. Die Aufdeckung dieses Sachverhaltes aber es verdadero dogma, es tan importante que sin él no se puede conocer lo que es la corte de Roma, y con él fadimente se conoce . . . Mit diesen Worten bricht Lamberg unvermutet und mitten im Satz seine grundsätzlichen Betrachtungen ab. Schon eine flüchtige Analyse ergibt, daß uns hier ein Konglomerat von Gedankengängen verschiedenster Herkunft vorliegt. Nur lose mit den Grundzügen der Schrift verbunden, teilweise wohl als Aufputz nach signifikanten Vorbildern, etwa den venezianischen Finalrelationen, kon­struiert, bieten polemische Wendungen wie die über Rom als Janushaupt der Christenheit, die Konstantinische Schenkung und die Verweltlichung der Kurie, die Vermengung der beiden Autoritäten des Papsttums etc. wenig Interessantes13 14). Gleich nach der Erwähnung jener Stimmen, die auf die zunehmende Verknüpfung der Kurie mit der Staatsräson hinweisen, betreten wir jedoch anderes Gebiet. Es wird nämlich keineswegs versucht, diesen Vorgang der Verweltlichung historisch zu begründen oder einer Kritik zu unterwerfen, — sein Endstadium muß vielmehr als ideale Voraus­setzung für das Folgende postuliert werden. Die angeprangerten Mißstände beginnen nach Lamberg erst mit der fortschreitenden Zerstörung dieser razón de estado durch eine Art von Kompromissen, die zu den vernunftbil­denden Faktoren in keiner positiven Beziehung stehen; treibende Kräfte sind ein übersteigertes Besitz- und Machtbedürfnis und das Erstreben persönlichen Vorteils. Worin besteht nun der tiefere Gegensatz zur ratio? In dem mit Hilarius beginnenden und mit Gregoras endenden Mittelteil steht als Herzstück das — später nochmals gebrauchte — Gellius-Zitat mit folgendem Übergang zu Gregoras. Die Religion, deren Besitz nach Hilarius legia ac confraternitates et pia loca, non tamen quae sub regum immediata pro­tectione sunt sine eorum licentia. Vgl. Joseph Schmidlin, Der Konflikt der Anima mit Clemens XI. (Römische Quartalschrift 17, 1903) 148 f. und Dsbe, Geschichte der deutschen Nationalkirche in Rom S. Maria deli ’Anima (Freiburg i. B.—Wien 1906) 597 ff. 13) Verzeichnis der Stiftungen für S. Giacomo: Justo Fernandez Alon- s o, Santiago de los Espanoles y la Archicofradía de la Santisima Resurrecciön de Roma hasta 1754 (Iglesia Nációnál Espanola, Roma 1960) 315 ff. 14) Über das Verhältnis zu den Relationen Erizzos, Morosinis und Tiepolos siehe unten S. 327. — Vgl. die Zusammenfassung dieser herkömmlichen Argu­mente in der Abhandlung „Von dem römischen Papst“, ed. von J. Söltl in der Hist. Zeitschrift 6, 1861, pp. 23 ff., 30 ff. und 45 (Vordringen der Staatsräson), die einen Teil einer für Josef (I.), laut Oswald Redlich, Das Werden einer Großmacht (1942) 360 Anm. 101, um 1696 in Regensburg verfaßten Denkschrift darstellt.

Next

/
Oldalképek
Tartalom