Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

RILL, Gerhard: Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706)

Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706). Von Gerhard Rill (Wien). Wie viele ihrer Kollegen im diplomatischen Dienst, fanden sich auch die kaiserlichen Gesandten und Botschafter beim Hl. Stuhl bis ins 18. Jahr­hundert oft in die bedenkliche Lage versetzt, die Geschäfte ihrer Vorgänger fortführen zu müssen, ohne über die erforderlichen archivalischen Unter­lagen zu verfügen. Einer von ihnen, Johann Wenzel Graf Gallas (1714— 1719), hat daher versucht, für seine Aufgaben wichtige Schriftstücke im Original und in Abschriften zu sammeln, und als Ergebnis dieser Bestre­bungen liegt heute ein umfangreicher Faszikel interessanter Dokumente politischen und administrativen Inhalts vor; darunter eine Representation hecha a su Mgd sobre lo que passa en la Corte de Roma en grave perjuicio de sus reales Interesses in zwei Exemplaren, beide ohne Angabe des Datums und des Autors1). Da der Verfasser dieser Denkschrift im ersten Absatz erklärt: er habe kurz nach seiner Abreise aus Rom, aufgefordert vom Rota­auditor (Franz Karl Graf) Kaunitz und vom Bischof von Sirmium (Jos. Maria Favini de Crema), eine Schrift über das der spanischen Krone in Rom zugefügte Unrecht verfaßt und an den Fürsten Anton (Florian von Liechtenstein) nach Valencia geschickt, er führe jedoch seinen Auftrag nun zum zweiten Male aus, da die erste Schrift nicht ans Ziel gelangt sei, — kann er ohne Schwierigkeit mit dem Botschafter Joseph Leopold Graf Lamberg identifiziert werden2). Da ferner die am 17. Mai 1706 zu Kardinälen kreierten Acquaviva, Casoni und Ruffo bereits mit ihrer neuen Würde bezeichnet werden und Lamberg am 28. Juni dieses Jahres starb, ist auch eine zeitlich ziemlich genaue Eingrenzung für die Abfas­sung der Denkschrift möglich. Der Botschafter, der 1700—1705 den Kaiser und seit März 1704 auch Karl III. von Spanien bei Clemens XI. vertrat, hat ein umfangreiches Material an Korrespondenzen, Tagebüchern und anderen Schriften hinter­lassen, das heute zum Teil in Wien und zum Teil in Vaduz aufbewahrt >) Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Botschaftsarchiv Rom-Vatikan I: Nachlaß Gallas (Konzept fol. 1—16, Reinschrift fol. 1—11), wo sich der Schreiber der Reinschrift mehrfach nachweisen läßt. 2) Biographische Daten: W u r z b a c h 14, 35 f. — Über die am 15. Juli 1705 erfolgte fluchtartige Abreise Lambergs: Marcus Landau, Rom, Wien, Neapel während des spanischen Erbfolgekrieges (Wien 1885) 191 f.

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