Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
BLAAS, Richard: Die Tätigkeit der k. k. Aktenrückführungskommission in Paris 1814 und 1815
Die Tätigkeit der k. k. Aktenrückführungskommission in Paris 21 ferenzminister Zichy die Aufforderung richtete, ihm umgehend von allen im Jahre 1809 von den Franzosen geplünderten Sammlungen genaue Verzeichnisse vorzulegen0). Wirklich in kürzester Frist wurden von allen Vorständen der von den damaligen Expropriationen betroffenen Hof- und Staatsstellen die gewünschten Verzeichnisse, die in der Mehrzahl der Fälle wohl schon für diese Aufforderung von langer Hand vorbereitet waren, dem Kaiser zugeschickt* 10 *), der sie bereits am 31. Januar 1814 dem Staatskanzler Fürst Metternich mit der Auflage einhändigte, „bei der bevor- stehenden Friedens Negoziazion zugleich auf die Zurückstellung um so mehr zu dringen und solche zu bewirken trachten, als Mich Kaiser Napoleon versichert hat, daß die dießfällige Abführung ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt sei“ u). Der erste Pariser Friede trug dieser Forderung Rechnung. Der Artikel XXXI fordert expressis verbis die Rückgabe der auf die von Frankreich im Vertrag abgetretenen Gebiete bezughabenden Archive und Aktenbestände12). Da dieser Artikel etwas allgemein gehalten war und, wie sich zeigen sollte, verschiedene Auslegungen zuließ, hatte sich Österreich das Recht auf seine Archivalien in einem eigenen, geheimen Zusatzartikel gewahrt: „La Cour de France s’engage ä faire remettre aux Commissaires qui seront nommés ä cet effet par la Cour de Vienne, tous les actes qui ont rapport ä l’ancien Empire Germanique, ä la Belgique et ä d’autres provinces qui ont fait partié de la Monarchie Autrichienne et qui ont été enlevés des archives de Vienne“ >3). Dieser von Metternich ausgehandelte Zusatzartikel bildete fortan die rechtliche Grundlage für die österreichischen Rückforderungen und ihn auf die Dauer zu umgehen oder seine Erfüllung hinauszuzögern, war bei seinem eindeutigen Inhalt, ohne sich eines eklatanten Vertragsbruches schuldig zu machen, nicht gut möglich. Der Hauptgrund für die Abfassung dieses geheimen Zusatzartikels war die Sicherung der Reichsarchive, die in der Fassung des Artikels 31 des Friedensvertrages strittig sein konnte. Eine ähnlich bindende Stipulation für die Rückstellung der Kunstwerke durchzudrücken, war Metternich jedoch nicht möglichl4). Österreich mußte sich bezüglich seiner entfremdeten 0) O.K.A. (Oberstkämmereramt) ZI. 27/1814. io) Die Verzeichnisse finden sich in St.K. Frankreich-Varia, Karton 74, Akten betreffend den Zweiten Pariser Frieden und seine Vollstreckung nr. 40. Wien A, B, C, D. n) St.K. Vorträge 1814, Fasz. 287. — Die Behauptung, daß die Verschleppungen ohne Wissen und Willen Napoleons erfolgt seien, ist eine leicht zu widerlegende Irreführung. Vgl. dazu den bei A. Lhotsky, a. a. 0„ S. 515 wiedergegebenen Befehl zur Ausfolgung der Gemälde, in dem es heißt: „Telle est la volonte expresse de Sa Majesté“. 12) Vgl. L. Neumann, Recueil des Traités et Conventions conclus par l’Autriche avec les puissances etrangéres, depuis 1763, tome second, Leipzig 1856, S. 472. is) Ebenda, S. 475. „Articles additionnels et secrets. n) H. Schütter, a. a. 0„ S. 113 f. •