Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

BENNA, Anna Hedwig: Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien (1708–1710)

16 Anna Hedwig Benna Schlachten schlug, seine Diplomaten wie Sinzendorf und Wratislaw und der Reichsvizekanzler Schönborn, dessen Dienste der Kaiser erst in seinen letzten Lebensjahren schätzen lernte107) und den er in die geheime Kon­ferenz sehr zum Mißvergnügen Wratislaws einführte108), die Erfolge der Waffen bei den Friedensverhan'dlungen auswerteten. Das Bild von Joseph dem Siegreichen109) besteht insoferne zu Recht in der Geschichts­schreibung, wenn man nur die militärischen und diplomatischen Erfolge seiner Zeit betrachtet. Es verliert aber an Wahrheitsgehalt, wenn man die Verhältnisse am Wiener Hof betrachtet, vor allem, wenn man die Briefe Wratislaws an Karl von Spanien in den beiden letzten Lebensjahren des Kaisers liest, in denen der böhmische Hofkanzler seinem Schmerz und seiner Empörung über die Haltung des Kaisers gegenüber seiner Gemahlin, die er zwar auch nicht ganz von der Schuld der Zerrüttung der Ehe frei­sprechen konnte, Luft machte110). Das Verhältnis des Kaisers zu seinem Bruder Karl hatte sich in diesen Jahren etwas gebessert, vor allem dadurch, daß sich der Kaiser bei den Friedenspräliminarien in Den Haag 1709 rückhaltlos für die Abtretung der gesamten spanischen Monarchie an Karl eingesetzt hatte111). Wratislaw gedachte diese Situation auszunützen, indem er für die Zeit nach dem Friedensschluß eine persönliche Zusammenkunft Josephs I. und Karls III. in Italien oder in den Niederlanden anregte, in deren Verlauf Prinzipien über das Zusammenleben beider Linien gefunden werden könn­ten112). Die Königswahlfrage war noch in kein entscheidenderes Stadium getreten, die Hauptschwierigkeit, die Unterstützung des Kaisers zu ge­winnen, war noch nicht beseitigt worden, sogar der immer dienstbereite Sinzendorf zweifelte daran, daß sie je beseitigt werden könnte. Es wurde immer wieder erwogen, wen man mit der undankbaren Aufgabe, den Kaiser dafür zu gewinnen, betrauen könnte113). Ende 1710, als Nachrichten über Verhandlungen Preußens mit Frankreich, in denen preußischerseits gefragt wurde, wie sich Frankreich zu einem römischen Königtum Preußens ver­halten würde, einliefen, schien es Sinzendorf, daß der Augenblick für das entscheidende Gespräch mit dem Kaiser gekommen sei 114 *). Den Wunsch 107) Hantsch a. a. 0., S. 147. 10°) Hantsch a. a. O., S. 146. 109) Vgl. Braubach, Gestalten und Abenteuer, S. 180—184. uo) Wratislaw an Karl III., 1710 April 26, Arneth, AfÖG 16, S. 113. 1710 Oktober 27, Familienkorrespondenz A Kart. 19, 1711 Jänner 18, ebenda. 111) Joseph I. an Karl III., 1709 Juli 24, Spanien, Hofkorrespondenz Fz. 13. u2) Wratislaw an Karl III., 1709 Dezember 29, Familienkorrespondenz A Kart. 18. 118) Sinzendorf an Karl III., 1710 Mai 31, Große Korrespondenz Fz. 74 c. 114) Sinzendorf an Karl III., 1710 Dezember 27, Große Korrespondenz Fz. 74c. Zur preußischen Politik dieser Jahre vgl. E. Hassinger, Preußen und Frankreich im spanischen Erbfolgekrieg, Forsch, zur brandenb. preuß. Gesch. 54 (1943) S. 44 f.

Next

/
Oldalképek
Tartalom