Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

BENNA, Anna Hedwig: Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien (1708–1710)

Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien 9 österreichischen Hofkanzlei54). Nach der von Salm verfaßten und vom Kaiser approbierten Geschäftsordnung der Hofkanzlei hatte Sinzendorf die politischen, militärischen und Etiketteangelegenheiten zu erledigen sowie die Korrespondenz, welche durch Handschreiben geführt wurde55). Wie schon vor seiner Funktion als Hofkanzler, so führten ihn auch während sei­ner Amtszeit diplomatische Missionen, vor allem die Friedensverhandlungen zwischen 1706 und 1712, in die Niederlande56), Missionen, denen sich Wra- tislaw im Interesse Karls III. mit Erfolg zu entschlagen vermochte57). Sin­zendorf besaß zwar nicht den politischen Weitblick eines Wratislaw, doch reichten seine persönlichen Beziehungen in Sphären, die Wratislaw ver­schlossen blieben. Sinzendorf erfreute sich im Gegensatz zu Wratislaw des Wohlwollens und Vertrauens der beiden Kaiserinnen, der Kaiserinwitwe Eleonore Magdalena Theresia und der regierenden Kaiserin Wilhelmine Amalia. Die Kaiserinwitwe vor allem war ihm gewogen. Wratislaw besaß ihr Vertrauen nicht, er wußte, daß er den beiden Kaiserinnen weniger an­genehm als Sinzendorf war und er wußte auch warum. Seine Art, auch Kai­serinnen schonungslos die Wahrheit zu sagen, hatte offenbar Verstimmung hervorgerufen 58). Aber nicht nur Wratislaws Wahrheitsliebe hatte ihm die Sympathien der Kaiserinwitwe verscherzt, er hatte sie auch gekränkt, weil er es war, der es verhinderte, daß der Bruder der Kaiserinwitwe, der Kur­fürst von der Pfalz, die Statthalterschaft der Niederlande erhielt59). Es blieb auch Wratislaw nicht verborgen, daß die Kaiserinwitwe es nicht gerne sah, daß Karl nur mit einem Minister (Wratislaw) korrespondierte, sie machte daraus kein Hehl und Wratislaw vermutete, seine Vertrauensstellung habe die Eifersucht Sinzendorfs wachgerufen 60). Denn nach dem Abgang des Herzog von Moles vom Wiener Hof61) hatte Karl von der Kaiserinmutter und vom Kaiser ihr Einverständnis zu seiner Wahl, Wratislaw mit der Füh­rung der Korrespondenz in den Hausangelegenheiten zwischen ihm und dem Wiener Hof zu betrauen62), erbeten und erhalten. Wratislaw zeigte Ver­ständnis für Sinzendorfs Anliegen und trat viele Geschäftsstücke an Salm und die übrigen kaiserlichen Minister zur Behandlung und Erledigung ab, sofern sie nicht geheime Haussachen betrafen63). Wratislaw legte deshalb Karl nahe, auf diesen Wunsch der Kaiserinmutter, die sich bei ihm über Karls offenbares Mißtrauen gegenüber Salm und Sinzendorf beklagt hatte, ö4) Turba, Reichsgraf Seilern, S. 192. 55) Ebenda. 56) Turba a. a. 0., S. 192. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden 1 (1936) S. 148, 154, 171—172. 57) Wratislaw an Karl III., 1706 Dezember 10, Arneth, AfÖG 16, 31. 58) Wratislaw an Karl III., 1707 März 10, Arneth, AfÖG 16, S. 37. 59) Wratislaw an Karl III., 1706 Juli 10, Familienkorrespondenz A Kart. 18. 66) Wratislaw an Karl III., 1706 Dezember 15/16, Arneth, AfÖG 16, 27. 61) 1706 VIII 28, Repertorium der diplomatischen Vertreter 1, S. 168. 62) Karl III. an Wratislaw, 1706 Dezember 15/16, Arneth, AfÖG 16, S. 27. 63) Ebenda.

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