Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

MIKOLETZKY, Hanns Leo: Holics und Sassin, die beiden Mustergüter des Kaisers Franz I. Stephan

194 Hanns Leo Mikoletzky dem Kammerpräsidenten zu übergeben. Er hielt seine Zusage sogar und tat noch mehr, indem er den Großteil des Archivs selbst schon während der vertraulichen Verhandlungen auslieferte. Das Zustandekommen eines end­gültigen Übereinkommens wurde durch den Umstand erschwert, daß der Graf 1771 wegen einiger Güter in der Bácska einen Prozeß gegen den Fiskus anhängig machte und bestrebt war, einen königlichen Befehl zu einer außertourlichen Verhandlung zu erlangen. Der Causarum Regalium Director meinte, der Prozeß sei für den königlichen Fiskus von größerer Wichtigkeit als die Erwerbung des Archivs, weshalb die letztere mit dem ersteren nicht in Verbindung gebracht werden sollte. Czobor war jetzt ge­neigt, nicht nur auf das Archiv, sondern auch auf seinen Anspruch auf die Güter zu verzichten, verlangte jedoch als Gegenwert die Überlassung des Gutes Jankovac, die Bezahlung eines Barbetrages sowie die Bewilligung einer lebenslänglichen Rente. Grassalkovics hielt zwar die Bitte bezüglich Jankovac’ für unstatthaft, sagte aber, ein Übereinkommen mit dem Grafen liege im Interesse des königlichen Fiskus. Die Güter in der Bácska hätten einen Wert von ungefähr 150.000 fl. und der Fiskus würde ohnedies den Prozeß verlieren. Man könne dem siebzigjährigen, gänzlich verarmten Gra­fen eine außertourliche Verhandlung des Prozesses nicht gut abschlagen. Eine Erwerbung des Archivs würde auch ausschließen, daß etwa Nach­kommen der weiblichen Linie wegen Holies, Sassin und Scharfenstein, oder Mitglieder anderer Familien wegen der übrigen Fiskalgüter auf Grund der darin enthaltenen Urkunden Prozesse gegen den Fiskus anhängig machten. Grassalkovics schlug daher vor, mit Rücksicht auf die angeführ­ten Gründe, die sehr bedeutenden Interessen des Fiskus und die gänzliche Armut des Grafen sowie auf die großen Verdienste seiner Ahnen ihm 20.000 fl. bar und eine jährliche Rente von 4000 fl. zu bewilligen. Die Ver­handlungen wurden aber abgebrochen, und als sie 1773 wieder aufgenom­men wurden, weilte Grassalkovics nicht mehr unter den Lebenden (f 1. De­zember 1771). Die außertourliche Bereinigung des Prozesses wurde nun­mehr verweigert, was bedeutete, daß er sich mindestens auf zehn Jahre erstrecken würde. Die ungarische Kammer betonte deshalb in ihrem im April 1773 bezüglich der Erwerbung des Archivs gemachten Vorschlag ausdrücklich, daß der alte Graf das ihm wahrscheinlich günstige Urteil nicht mehr erleben werde. Der neue Vorschlag basierte auf diesem Um­stand und sah vor, daß Czobor, wenn er auf die Güter verzichtete und das ganze Archiv übergab, 10.000 fl. in bar und eine jährliche Rente von 2000 fl. bewilligt erhalten würde. Die nach vier weiteren Monaten er- flossene Resolution ordnete dann zwar an, daß 10.000 fl. durch das Pester Salzamt gezahlt werden sollten, aber nicht dem Grafen, sondern um die früher von ihm verpfändeten Dokumente auszulösen. Im übrigen möge die Kammer wegen der Jahresrente einen neuerlichen Vorschlag erstellen. Czobors Lage hatte sich um diese Zeit noch mehr verschlimmert. Sein Archiv war, von kleinen Splittern abgesehen, in den Händen der Kammer, die

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