Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

WAGNER, Hans: † Josef Karl Mayr (1885–1960)

60ß Nachruf Liegt schon in all diesen Arbeiten eine bedeutende wissenschaftliche Leistung, wird sie doch noch von den selbständigen Arbeiten übertroffen, in denen es Mayr wie kaum ein anderer verstand, die Quintessenz großer Aktenmassen mit vorbildlicher Akribie zu Darstellungen zu verarbeiten. Sein oeuvre läßt sich in drei große Gruppen scheiden. An erster Stelle stehen seine Arbeiten zur österreichischen Geschichte, direkte Früchte seiner Tätig­keit am Haus-, Hof- und Staatsarchiv, in seinen reifen Mannesjahren entstanden. Seine Jugendwerke gehören der zweiten Gruppe an, den Stu­dien zur Salzburger Geschichte, die in seinem Gesamtwerk einen großen Raum einnehmen und denen er sich im Alter wieder zugewandt hat. Die dritte Gruppe bilden Arbeiten zur Geschichte des österreichischen Prote­stantismus, infolge seiner religiösen Überzeugung ein besonderes Herzens­bedürfnis Mayrs. Wohl sein wichtigstes Werk ist die großangelegte „Geschichte der öster­reichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich“ (Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Band 2, Wien 1935) und die Er­gänzung dazu „Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Post­kurse“ (ebenda, Band 3, Wien 1935). Ferner „Wien im Zeitalter Napo­leons. Staatsfinanzen, Lebensverhältnisse, Beamte und Militär“ (Abhand­lungen zur Geschichte und Quellenkunde der Stadt Wien, VI, 1940), beson­ders bedeutend als eine der seltenen, da umfassende Quellenkenntnis vor­aussetzenden sozialgeschichtlichen Arbeiten. Zu nennen ist hier ferner seine Ausgabe des Tagebuchs des Polizeiministers Kempen von 1848 bis 1859, Wien 1931, mit einer Fortsetzung vom Mai bis Dezember 1859 in den Histo­rischen Blättern 4, 1931. Hier sei besonders auf die ausgezeichnete, für die Quellengattung richtungweisende Einleitung zum Tagebuch hingewiesen. Außerdem gehören in diese Gruppe zahlreiche wertvolle Aufsätze, von denen die zur Geschichte Karls V. und zur Zeit des Wiener Kongresses besonders hervorgehoben werden sollen. Die Salzburger Studien hat Mayr mit seiner Institutsarbeit „Die Tür­kenpolitik Erzbischof Wolf Dietrichs von Salzburg“ (Mitteilungen der Ge­sellschaft für Salzburger Landeskunde 52/53, 1012/13) eröffnet. „Die Ge­schichte der Salzburger Zentralbehörden von der Mitte des 13. bis ans Ende des 16. Jahrhunderts (ebenda 64—66, 1924—1926) bildet eine beson­ders wertvolle, einen langen Zeitraum umfassende verwaltungsgeschicht­liche Untersuchung, die Mayr zur Habilitation an der Wiener Universität vorgelegt hat. Im Alter kamen dann noch „Bauernunruhen in Salzburg am Ende des Dreißigjährigen Krieges“ (ebenda 91, 1951), „Kaiser Franz in Salzburg“ (ebenda 96, 1956) und als letztes die sehr interessante Arbeit zur Erwerbung Salzburgs durch Österreich „Aufmarsch um Salzburg 1816“ (ebenda 100, 1960) hinzu, von zahlreichen kleineren Aufsätzen abgesehen. Eine ausführliche Würdigung der Verdienste Hofrat Mayrs um die Salz­burger Geschichte findet sich im Nachruf von Herbert Klein (ebenda 101, 1961, S. 321—325). Die Darstellung „Die Emigration der Salzburger Protestanten von 1731/32. Das Spiel der politischen Kräfte“ (ebenda 69—71, 1929—1931), die bisher beste Arbeit über dieses vielbehandelte Thema, leitet von der Salzburger Gruppe zur Geschichte des Protestantismus über. Hier hat er

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