Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

HAUPTMANN, Ferdinand: Ein Reisebericht Dr. Ludwig Thallóczy's aus Bosnien

Ein Reisebericht Dr. Ludwig Thallóczy’s aus Bosnien 439 Die Besprechung mit dem Sektionschef Franges führe ich in ihren Hauptresultaten beiliegend an05). Dieser aufgeweckte Beamte, der aber zu reich an Einfällen ist und zu hastig wirken will, muß etwas kalmiert werden. Da ich mit keiner allzu schroff gehaltener Charakteristik Vor­gehen möchte, begnüge ich mich mit dieser allgemein gehaltenen Konsta­tierung. Mit dem eingeschüchterten Sektionschef Zurunic kam ich nicht sehr weit. Der Serbe kann sich halt in der Landesregierung nicht frei aus­sprechen, das ist die Quintessenz seiner Verteidigung. Die Pünktlichkeit Zurunic’s ist zu sehr bekannt, als daß man über diesen fleißigen und jetzt unpopulären Beamten noch eine weitere Charakterisierung abgeben müßte. Interessant ist es, daß die Idee des Allerhöchsten Handschreibens über die obligatorische Kmetenablösung schon jetzt im Laufe des Krieges von ihm stammt. Ich erlaubte mir gleich beim Auftauchen dieses Gedankens zu bemerken, daß diese Aktion verfrüht und aus finanziellen Rücksichten kaum zu verwirklichen sei. Jetzt aber sehe ich, woher diese große Wendung stammt. Übrigens ist die Grundentlastungsaktion jetzt zum Stillstehen gebracht und nach meiner Ansicht kann diese kaum durch ein Gesetz, son­dern nach Sistierung der Landesverfassung im allerhöchsten Verordnungs­wege geregelt werden (Analogien Österreich, Ungarn, Rußland). Dieser Sabor, und auch vielleicht ein anderer, wird für diese Angelegenheit nicht zu haben sein. Übrigens ist ja die Sache nur insofeme von aktueller Be­deutung, als die ganze Aktion in unserer finanziellen Gebahrung einen erratischen Block bildet. Die Verhandlung mit Sektionschef Prileszky lege ich bei65 66). Nun besuchte ich den Metropoliten Letica. Ich fand ihn in einer nieder­geschlagenen Stimmung. Vor allem zeigte er mir in seinem Zimmer jene Stelle, wo ein von der Gasse hineingeschleuderter riesengroßer Stein einen tiefen Riß verursacht und hart an seinem Kopf vorbeiflog. Klagend hob er die jetzige Stimmung gegen die Serben hervor, über die er nur klagen kann. Er ist ja einer der wenigen, leider einflußlosen, loyalen Serben, dem es nicht gegeben war, energisch zu gehen. Ich war in Begleitung des Sektions­chefs Paul bei ihm. Der Kirchenfürst benützte die Gelegenheit, um für seine Geistlichen eine Bitte vorzulegen, daß man die unschuldigen aus der Haft entläßt, denn seine „Schafe“ sind ohne Hirten. Nach der heutigen Sachlage konnten wir ihm keine andere Antwort geben, als daß wir uns zu irgendwelcher Intervention nicht berufen fühlen. Er soll mit christlicher Geduld diese Zeit überleben und dann an der Sanierung der Verhältnisse mitarbeiten. Zugleich habe ich ihm die in jeder Beziehung ungerechte 65) fehlt. 66) fehlt; Was die Kmetenablösung betrifft, behauptet Brauner J. (Bosnien und die Herzegowina. Politik, Verwaltung und leitende Personen vor Kriegsaus­bruch. Berliner Monatshefte Jg. 7/1929, No. 4, S. 336), Potiorek habe sie während der Auflösung des Landtages oktroyieren wollen.

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