Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

NECK, Rudolf: Der Protest Franz Ferdinands gegen die ungarischen Verfassungsgarantien von 1907

Protest Franz Ferdinands gegen die ungar. Verfassungsgarantien von 1907 435 kriegsminister“ einen Protest schriftlich festgehalten12) und sich die Wiedereinführung dieses Titels Vorbehalten. Im vorliegenden Fall der ungarischen Verfassungsgarantien hielt er sich für ein solches Vorgehen besonders berechtigt, da er der Meinung war, daß die Ungarn dem Kaiser die Zustimmung während einer Krankheit entlockt hatten13). Als Ende 1907 die letzten Verfassungsgarantien zusammen mit anderen Ausgleichs­gesetzen genehmigt wurden14), entschloß er sich zu diesem Schritt unter Heranziehung seines Neffen und voraussichtlichen Nachfolgers auf dem Thron, des jungen Erzherzogs Karl. Über diesen schriftlichen Protest herrschte bisher in der historischen und biographischen Literatur keine Klarheit. Kiszling hat ihn im Haus-, Hof- und Staatsarchiv und auch in dem hier deponierten Archiv Franz Ferdinands nicht gefunden und bezweifelt, ob er überhaupt ausgestellt wurde15). Dagegen spricht die dezidierte Erklärung nicht nur von Seiten Franz Ferdinands gegenüber Lammasch16), sondern auch seitens des Erz­herzogs Karl gegenüber Polzer17). G. Franz nimmt die Ausstellung und Hinterlegung im Staatsarchiv als erwiesen an, ist sich jedoch offenbar über den Inhalt im unklaren18). Denn die Nachricht Kristóffys19), auf die er sich bezieht, betrifft doch wohl ein anderes Schriftstück, da von einer „Vereinbarung“ die Rede ist, die ganz allgemein den jüngeren Erz­herzog auf das Regierungsprogramm Franz Ferdinands festlegt. Diese Vereinbarung mag sich vielleicht unter jenen Papieren befunden haben, die nach dem Attentat von Sarajevo zunächst dem alten Kaiser in die Hände gespielt worden waren, bevor sie Karl — erst Monate nach der Thronbesteigung — übergeben wurden20). Das im folgenden wiedergegebene Schriftstück 21) findet sich als Num­mer 2926 unter den habsburg-lothringischen Familienurkunden im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Es wurde laut Vermerk auf dem Archiv­umschlag und laut Angabe im Archivbehelf 473/2 am 15. Januar 1908 von Ährenthal im Auftrag des Thronfolgers zur Hinterlegung in einem vom Erzherzog versiegelten und mit dessen Unterschriften und der eigenhändig geschriebenen Jahreszahl an den Klebestellen abgesicherten großen Brief­umschlag übergeben. Die Bemerkungen im Archivbehelf und auf dem 12) Auffenberg-Komarów, Aus Österreichs Höhe und Niedergang. Eine Le­bensschilderung. München 1921. S. 152. Der Text dieses Protestes bei Arthur Graf Polzer-Hoditz, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs. Wien 1929, S. 586. 13) Lammasch, a. a. O. Tatsächlich litt Franz Josef vom Oktober bis Dezem­ber 1907 an einer gefährlichen Bronchitis (Corti-Sokol, a. a. 0., S. 318). 14) Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, Kabinettskanzlei, Vorträge, ZI. 3983 und 3984 ex 1907. 15) Kiszling, a. a. O., S. 335, Anm. 43. Nach Lammasch, a. a .0., wurde je ein Exemplar im Haus-, Hof- und Staatsarchiv und bei den Privatpapieren des Erz­herzogs selbst hinterlegt. 16) Lammasch, a. a. O. 12) Polzer-Hoditz, a. a. O., S. 70 f. 18) Franz, a. a. O., S. 62 f. 1!>) Im „Pester Lloyd“ vom 10. Januar 1924, abgedruckt bei Polzer-Hoditz, a. a. O., S. 585 f. 20) Hans Karl Zessner-Spitzenberg, Kaiser Karl. Salzburg 1953, S. 83 f. 21) Anhang I. 28*

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