Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

KISZLING, Rudolf: Glaubenskämpfe in Albanien um die Jahrhundertwende

Glaubenskämpfe in Albanien um die Jahrhundertwende 431 Es waren etwa 5000 orthodoxe Menschen, die in ihrer unglücklichen Lage zwischen den türkischen Behörden und dem ökumenischen Patriarchat Vexationen von beiden Seiten ausgesetzt waren, wobei der russische Konsul von Monastic meistens die Triebfeder war. Diese Arnauten bekannten sich als Mohammedaner, waren innerlich aber doch Christen und mußten als solche Militärsteuer zahlen; sie wollten aber weder als türkische Soldaten dienen, noch die Enthebungstaxe entrichten. Da der um seine Meinung befragte Botschafter Calice völlige Passivi­tät empfahl, um weder die Türkei, noch Rußland und den Patriarchen zu verärgern, wies Graf Goluchowski sowohl den Botschafter als auch die Konsulen in Durazzo, Skutari und Monastir an, die Übertrittsbewegung der Albaner als eine rein kirchliche Angelegenheit zu betrachten und sich jeder politischen Aktion zu enthalten12). Diese Zurückhaltung erschien auch im Hinblick auf die eben angelaufene Reformaktion in Mazedonien geboten, die von Österreich-Ungarn, Rußland und Italien ins Leben gerufen worden war. Aus gleichem Grunde ließ die Wiener Regierung auch nicht wegen der amtlichen türkischen Bestätigung des Paters Germanos als katholischer Priester intervenieren, die dieser aber für die geplante Er­richtung von Kirche und Schule benötigte. Trotz allen Schwierigkeiten baten ihm Jahre 1906 zunächst vier und dann noch sechs Gemeinden mit insgesamt 2400 Seelen um Aufnahme in den katholischen Kirchenverband. Überraschenderweise verhielt sich der Erzbischof Bianchi diesen neuerlichen Übertritten gegenüber sehr kühl, weil er eine Verkleinerung seiner jetzt bis Janina reichenden Diözese durch Abtrennung des Südteiles unter einem griechisch-unierten Bischof befürchtete, der allenfalls Pater Germanos hätte werden können. Zu allem Überfluß mengte sich jetzt in diese sehr komplizierte Frage die italienische Propaganda ein. Wie schon erwähnt, unterstützte die ita­lienische Regierung die romanischen Kutzowalachen. Auch wünschte Ita­lien eine Fusion der griechisch-unierten Albaner von Elbasan mit den italo-albanischen Enklaven. Dies ließ die k. u. k. Konsulate in Albanien ein Abschwenken der konvertierten Spatioten zu den Italienern befürchten, was eine Minderung des österreichischen Einflusses in Albanien bedeutet hätte. So drohten sich Bekenntnisfragen in Machtkämpfe zu verwandeln. Plötzlich fühlte sich Pater Germanos durch einen Mordanschlag von griechischer Seite bedroht. Er bat um eine Leibwache von zwei besonders kräftigen Arnauten, für deren Besoldung von je 24 Napoleon d’or pro Jahr das k. u. k. Außenministerium aufkam. Dem Pater wurden aber auch von amtlicher türkischer Seite Schwierigkeiten beim Besuch der Dörfer mit konvertierten Bewohnern bereitet, was Germanos auf Intrigen zurück­führte, die vom griechisch-orthodoxen Metropoliten Prokopius ausgingen. Um über diese verwickelten Fragen endlich ein klares Bild zu erhal­ten, wies das Außenamt den neuen Botschafter beim Vatikan, Graf Hadik, zur ehesten Nachforschung an. Zu dessen Überraschung mußte er erfahren, daß man in Rom von der ganzen Übertrittsbewegung in Südalbanien über­haupt keine Kenntnis hatte. Erzbischof Bianchi hatte sie totgeschwiegen, weil er eine Verkleinerung seines größer gewordenen Machtbereiches be­12) Weisung des k. u. k. Ministers des Äußeren, Wien, 17. 3. 1904.

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