Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
356 Friedrich Roemheld Bianoheris Befehl in sehr unpassenden Ausdrücken mir die Erfüllung dieser geringen Gefälligkeit ab, und zwar aus Ärger, weil ich mein Absteigequartier nicht bei ihnen in ihrer engen, kaum für die Hälfte meiner Leute und für unsere Tiere gar keinen Raum bietenden Wohnung genommen hatte, sondern in dem Hause Kasas abgestiegen war, welches ganz unbewohnt war und mit hinreichendem Hofraum versehen ist. Diese Missionsmitglieder beschäftigten sich nämlich ganz unberufen und zu ihrem eigenen Nachteil zu sehr mit den politischen Verhältnissen, nehmen, um dem Ras Ali zu gefallen, Partei gegen Kasa und agitieren gegen denselben, obgleich er ihnen nie etwas zuleide getan. Mir waren sie äußerst gram, daß ich mit diesem Fürsten ein freundliches Verhältnis angesponnen, was der Mission selbst jedenfalls zugute kommen muß, und wäre es auch nur durch die Beförderung ihrer Korrespondenz mit Ägypten und Europa von Gondar über Khartum. Die Eröffnung dieser Straße war selbst der brieflich mir ausgesprochene Wunsch des Herrn Biancheri. Der mir damals unbekannte Haß dieser Herrn gegen Kasa ging so weit, daß sie, nachdem sie mir ihren Dienst, natürlich nur mit der Zunge, angeboten, meine ersten, am Tage meiner Ankunft in Gondar an sie gestellte geringfügige Bitte, für Herrn Heuglin und mich zwei Angareb zu leihen, damit wir nicht auf der bloßen Erde schlafen mußten, nicht erfüllten: sie fertigten meinen Dragoman mit der Erklärung ab, sie würden in Kasas Haus keinen Angareb schicken. Das Benehmen dieser zwei Individuen, das sie in meinen Augen nur als echte Abessinier charakterisierte, ... hielt mich übrigens nicht ab, bei meinem ersten Ausritt in Gondar dem Missionshause meinen Besuch abzustatten, den ich darum für angezeigt hielt, um vor den Augen des Publikums, welches meine Verbindungen und Bewegungen genau beobachtete, mein Interesse an der Mission trotz der Abwesenheit des Herrn Biancheri als ein reges an den Tag zu legen. Der Etschegé (Abt) Walde Mariam, unter dessen speziellem Schutz die im politischen Heiligtum in Gondar erbauten Zufluchtsorte stehen, die ein ganzes Stadtquartier ausmachen, ließ mich zu einem Besuch bei sich einladen. In der Hoffnung, unsere Effekten diesem hochgestellten Herrn, der fast den Rang eines Bischofs hat, zur Aufbewahrung übergeben zu können, bequemte ich mich, jener Einladung Folge zu leisten. Ohne diese Rücksicht wäre es mir nie eingefallen, von meiner kostbaren Zeit nur fünf Minuten durch Abstattung; eines solchen Besuches zu verlieren. Denn ich kannte bereits zur Genüge die lächerliche Sucht der sich echt vornehm dünkenden Abessinier, dem sie besuchenden Fremden einen Begriff von ihrer unvergleichlichen Größe beizubringen. Der Rang des Fremden dient dann als Maßstab für die ihm zu beweisende Größe und diese wieder als Maßstab für den Wert des vom Fremden zu erwartenden respektive zu erbettelnden Geschenks. Die Art und Weise, um dieselbe anschaulich zu