Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

CORETH, Anna: Das Schicksal des k. k. Kabinettsarchivs seit 1945

600 Literaturberichte Industriearchive öffnen in Österreich seit eh und je bloß aus Anlaß von Jubiläen und da meist nur pensionierten Werksangehörigen oder dem Werk nahestehenden oder prominenten Schriftstellern und anderen Nichtfach­leuten zögernd ihre Tore6). In der Vorrede zu Friedrich Walters „Fest­schrift für die Veitscher Magnesit-Werke Actiengesellsohaft 1881—1951“ umschreibt deren Generaldirektor dieses Ausnahmsweise und Bedingte, wenn er sagt: „Die Gesellschaft will vor sich und der Öffentlichkeit Rechenschaft geben, indem sie ihre Geschichte vorlegt. Sie hat ihre Archive rückhaltlos geöffnet, um eine Darstellung zu ermöglichen, aus der auch Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftswissenschaft Nutzen ziehen können. Die gebotene Schonung fremder Interessen war die einzige Grenze, die dieser Aufgeschlossenheit gezogen war“. Dies mag auch eine der Schwierigkeiten gewesen sein, vor denen Benedikt stand, obzwar sein unbestechliches, auch in Firmengeschichten bereits erprobtes Taktgefühl die beste Bürgschaft für entgegengebrachtes Vertrauen gewesen wäre. Danken wir doch auch die Erschließung von Adelsarchiven, die ohne die Gewißheit solcher Diskretion nie zugänglich geworden wären, der Verläßlichkeit eines anderen österreichischen Histori­kers, des Conte Corti. Auch Benedikt täte sicher nicht „weh“, und so hoffen wir, daß er doch noch einmal dazu kommen wird, die große Wirt­schaftsgeschichte der franzisko-josephinischen Zeit zu schreiben, die seit Jahrzehnten ein Desiderat ist. Vorläufig füllt die vorliegende Studie diese Lücke aus. Sie beschränkt sich darauf, die allgemeine Entwicklung zu verfolgen, den wechselseitigen Einfluß von Politik und Wirtschaft festzustellen und Einzelheiten hervor­zuheben, die entweder Meilensteine bedeuten oder für die Wirtschafts­geschichte charakteristisch sind. Benedikt versteht es auch hier wieder, das Symptomatische und Entscheidende einer Epoche weniger in den öffentlichen Kundgebungen oder Ergebnissen zu finden, als vielmehr in Begebenheiten, die, mehr am Rand liegend, gleichsam das Facit der Zeit zogen wie die Prozesse Richter, Offenheim, Kestranek etc. Eine Menge kluger Parallelen, aber auch illustrativer Bagatellen durchbrechen die Fülle von Namen und Tatsachen: so daß Franz Josef I. den Suezkanal in einem grünen Gehrock mit weißen Hosen und Strohhut eröffnete und daß der alte Lesseps am selben Tag eine Nichte der Kaiserin Eugénie heiratete. Die gleichfalls S. 85 erwähnte Festoper Verdis „Aida“ wurde freilich erst zwei Jahre später (1871) fertig und aufgeführt, so daß es im Grund nichts machte, daß sie „eine zum Festakt nicht recht passende traurige Ge­schichte“ als Handlung hat. Benedikt bespricht in kurzen allgemein gehaltenen Kapiteln zunächst die Lage um 1848, die Grundentlastung und ihre Folgen, den Februar­vertrag mit Preußen 1853, die Folgen des Krimkrieges, die Stadterweite­rung, Königgrätz, Triest und den Suezkanal, die Donauregulierung, Bos­nien und die Herzegowina, die Arbeiterbewegung, die Währungsreform, die Verstaatlichungen, den tschechischen Nationalismus etc., um dazwischen in spezielleren Abschnitten mit der Zuckerindustrie, den Mühlen, 6) Vgl. Wilhelm Treue, Firmengeschichte, in: Historische Zeitschrift 172, 1951, S. 535.

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