Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
FELLNER, Fritz: Die Verstimmung zwischen Wilhelm II. und Eduard VII. im Sommer 1905
504 Miszellen spanischen Königs am 5. Juni erforderlich. Lee zitiert ein Schreiben Sir Frank Lascelles’, des britischen Botschafters in Berlin, an Lord Knollys, Sekretär des Königs, das deutlich erkennen läßt, wie verletzend diese Anordnung Eduards in Berlin empfunden wurde. Interessanter Weise lassen sich aber weder in den britischen noch in den deutschen Aktenwerken diesbezügliche Schreiben feststellen, während ein Brief des österreich-ungarischen Botschafters in Berlin, Ladislaus v. Szögyény- Marich, vom 11. April 1905 bestätigt, wie ernst man diese Frage in Berlin genommen hat6). Lascelles hatte in seinem Brief vom 24. März darauf hingewiesen, daß „der Kaiser schon mehr als einmal auf Seiner Königlichen Hoheit scheinbare Abneigung gegen einen Besuch in Berlin angespielt“ habe und die neuerliche Absage mußte von ihm als persönlicher Affront aufgefaßt werden. Es kann kein Zweifel sein, daß das Verhältnis zwischen Onkel und Neffen dadurch weiter getrübt worden ist und bei dem impulsiven, empfindlichen Naturell des Kaisers wäre es begreiflich, wenn er den Vertreter König Eduards bei den Hochzeitsfeierlichkeiten in sehr gereizter Stimmung erwartete. Nur so ist jener peinliche Vorfall erklärlich, den Szögyény in einem Bericht vom 14. Juni 1905 auf Grund von Mitteilungen Sir Frank Lascelles schildert, der meines Wissens bisher völlig unbekannt geblieben ist und den ich im folgenden weitgehend im Wortlaut wiedergeben möchte 7) : Beim Empfang des Prinzen Arthur von Connaught begrüßte Kaiser Wilhelm Sir Frank am Bahnhof, „vermied aber mit auffallender Absichtlichkeit jedes Thema, welches mit den aktuellen politischen Fragen hätte in Verbindung gebracht werden können. — Mein englischer Kollege hütete sich ebenfalls von Politik zu sprechen und am Ende der Unterredung meldete er Seiner Majestät, daß er im Laufe der nächsten Tage einen Urlaub nach England anzutreten beabsichtige und frug, ob Höchstderselbe ihm an König Eduard einen Auftrag erteilen wolle. In einem brüsken, wie Sir Frank mir versicherte, ganz ungewöhnlich unfreundlichem Tone antwortete hierauf Kaiser Wilhelm: ,Nein, weder Ihrem Könige, noch Ihrem Minister, überhaupt niemand in England habe ich etwas sagen zu lassen. Mit allen diesen Herren, insolange sie sich mir gegenüber nicht besser benehmen, will ich gar nichts zu tun haben*. Hierauf wendete sich der Kaiser von meinem englischen Kollegen ab ... um die anderen Persönlichkeiten zu begrüßen. Sir Frank Lascelles, der von diesem Auftritte sehr impressioniert war, suchte gleich darauf den Reichskanzler auf, erzählte ihm das Vorgefallene und versicherte ihn, er könne sich eine derartige Behandlung, deren Motive er sich nicht erklären könne, keineswegs gefallen lassen 6) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Politisches Archiv (HHStA., P.A.) Preußen 161, Varia 1905. 7) HHStA. P.A. Preußen 162, Bericht Nr. 21 C.