Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850. Von Erika Weinzierl-Fischer (Wien). Am 31. März 1849 lud der Innenminister Graf Stadion die Bischöfe der Monarchie für den dritten Sonntag nach Ostern in die Haupt- und Resi­denzstadt Wien ein, um mit ihnen auf der Grundlage der neuen Verfas­sung vom 4. März „die künftige Stellung der katholischen Kirche im Reiche zu beraten“ 1). Der Episkopat sah in dieser Einladung mit Recht die Chance der endlichen Befreiung von dem seit Jahrzehnten mehr oder min­der geduldig ertragenen Joch des josephinischen Staatskirchentums und nahm sie daher dankbar an. Sechs Erzbischöfe und zweiundzwanzig Bischöfe trafen zu dem von Stadion festgesetzten Termin in Wien ein und gingen nach dem von Bischof Rauscher von Seckau entworfenen Kon­ferenzprogramm voller Begeisterung daran, „sich mit der Staatsgewalt über die Wiedergestaltung der österreichischen Kirche zu verständigen“ 2). Der zweite Punkt ihres Programmes besagte, .daß sich „in Vollendung des Werkes ein Concordat mit dem Heiligen Stuhl als nothwendig heraus- stellen dürfte“. Die Bischöfe gaben diesem Wunsch auch bereits in ihrer ersten Sitzung und in einem Schreiben an Papst Pius IX. Ausdruck, in dem sie betonten, daß sie keinesfalls Vereinbarungen des Heiligen Stuhles den Weg verlegen wollten 3). Das Ergebnis der vom 30. April bis zum 17. Juni 1849 dauernden Beratungen der Bischöfe waren sieben Eingaben an das Innenministerium, die die Ehe, den Religions-, Schul- und Studienfonds, das Pfründen- und Gotteshausvermögen, den Unterricht, die kirchliche Verwaltung, die geist­lichen Ämter und den Gottesdienst, das Klosterwesen und die geistliche Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hatten4). Mit Ausnahme der zwei Ein­gaben über vermögensreehtliche Fragen stammten sie alle aus der Feder Rauschers5), der nach allgemeinem Urteil der Kopf und die Seele der Konferenz war. In ihrer Gesamtheit sind sie eine energische Anprangerung 1) Cölestin Wolfsgruber, Friedrich Kardinal Schwarzenberg, 1. Band, Wien- Leipzig 1906, S. 310. 2) Ders., Joseph Othmar Cardinal Rauscher, Freiburg, 1888, S. 101. 3) Max v. Hussarek, Die Verhandlung des Konkordates vom 18. August 1855, Archiv f. österr. Gesch. 109, 1921, S. 492 f. 4) Collectio Lacensis V, Freiburg 1879, e. 1339 ff. 5) Wolfsgruber, Rauscher, S. 102 f. 30*

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