Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Neue Beiträge zur Geschichte der österreichischen Zensur im Vormärz

Die amtlichen Verbotslisten 459 Castelli, Gedichte, Berlin 1835 (beide 35 VIII/1, erga sch.). Die Sparte „Manuskripte“ enthält wohl eine ganze Reihe abgelehnter Aufsätze — auch solcher für wissenschaftliche Zeitschriften —158) und Übersetzungen, aber nur wenige Dichtwerke. Herausgegriffen sei bloß Ludwig August Frankl. Gerade er, der, wie es schon Houben ironisierte, nachher so heftig gegen die Zensur schrieb, ist mit zwei nichtssagenden Dingen ver­treten. Abgelehnt wurden sein „Gegenstand für einen österreichischen Maler: Blau der Himmel, grün die Hügel“ (32 IX/2) und „In der Kaiser­gruft“ (35 III/2), eine Hymne auf den verstorbenen Kaiser. In diesem Fall stand er nicht allein, denn zahlreich sind die zurückgewiesenen Gedichte, Gebete, Trauerreden, Bilder auf den Verblichenen neben den Begrüßungen usw. des neuen Herrschers; hier hatte die Zensur einen eigenen Stand­punkt 159). Zuletzt sei noch zweier Katastrophen gedacht. Der Donaueisstoß hatte in der Nacht vom 28. Feber zum 1. März 1830 zu einer furchtbaren Überschwemmung geführt, bei der die tieferliegenden Teile der Vorstädte schwer verwüstet wurden und der der Ort Kimmerleinsdorf im Marchfelde zur Gänze zum Opfer fiel. Eine Reihe von Handschriften und eine Zeich­nung, die sich mit diesem Ereignis befaßten, wurden abgelehnt160). Noch schrecklicher war das Auftreten der Cholera, die aus Rußland einbrach. Sie fiel in eine Zeit allgemeiner Mißstimmung, die nun durch unkluge behördliche Maßnahmen gefährlich verschärft wurde. Man begreift das Bestreben der Behörden, so wenig als möglich über sie reden zu lassen; außerdem hatte man, wie wir bereits wissen, zu medizinischen Schriften eine eigene Einstellung. Die Choleraschriften beginnen in der Liste 31 VII/2, zunächst mit Schilderungen der Krankheitssymptome und Empfehlungen von Vorbeugungsmitteln, dann folgt eine Flut von Manu­skripten und Werken (31 XII/1 gleich 9); mit ganz seltenen Ausnahmen fiel alles dem Verbot zum Opfer. Nach dem Jahresbeginn 1832 treten solche Schriften nur noch vereinzelt auf161). 168) ygj Marx, Verbotslisten, S. 167 und Fußnote 52. — Als Beispiel sei Prof. Dr. Helfert, Prag, „Rechtlicher Zustand der Akatholiken in Österreich“ für Wagners Zeitsohr. f. österr. Rechtsgelehrsamkeit (30 V/2) gebracht. 150) Houben, a. a. 0., I., S. 178 ff. — Zu den Verherrlichungen: Marx, a. a. 0., S. 180. — Frankl, a. a. O., S. 159 f. 160) Abgelehnte Handschriften: 30 III/2, IV/2, V/l (gleich 3); Zeichnung (Kronprinz beim Mittagessen in Jedlesee): 30 V/l. Dr. F. Sarto ri, Wien’s Tage der Gefahr und die Retter aus der Noth. Eine authentische Beschreibung der unerhörten Ueberschwemmung Wien’s ..., Wien 1830. 1832 erschien unter dem gleichen Titel ein zweiter Teil, der sich mit der Überschwemmung des flachen Landes befaßt; hier S. 84 f. über Kimmerleinsdorf. — Übrigens gab es eine solche Katastrophe auch in Böhmen: F. Rodeck, Die Schreckensnacht zu Krumau. Eisgang der Moldau vom 28. Feber 1830 (30 VII/2, Maniuskr.). — G 1 o s s y s K1. Schriften, a. a. O., S. 264, Fußnote 1. 161) Aus der umfangreichen Literatur sei nur gebracht: Aus Mettern. nach gél. Pap., V., Wien 1882; S. 105 ff. — F. Walter, Wien, Die Ge­schichte einer deutschen Großstadt an der Grenze, III, Wien 1944, S. 88.

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