Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

HRAZKY, Josef: Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher

Johann Christoph Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher 231 Augusti 1727 bis im Majo 1728 vollständig in der Dunckle und so arbei­ten müssen, daß er selbsten, was er geschrieben, nicht begreiffen konnte“ 26). Der Kaiser wollte dem Neuling keinen Einblick in seinen tiefen Kummer wegen der Zusage an Spanien, seine Töchter den Infanten zu verheiraten, gewähren; er suchte damals einen Ausweg aus den geheimen Vereinbarungen der Wiener Verträge von 1725, die keine Er­leichterung der Lage sondern immer neue Verwicklungen zu schaffen drohten. Hier winkte dem Novizen die erste Chance, sich hervorzutun, indem er dem Kaiser half, aus den Stricken der Wiener Verträge zu lösen. Bartenstein war nie um einen Einfall verlegen, er hat offenbar einen ganzen Blütenstraiuß an Vorschlägen produziert, von denen nur zwei in den Konferenzprotokollen aufscheinen. Der erste tauchte nach dem Tod der dritten Kaiserstoohter auf: die Voraussetzung des Geheim­artikels „duae ex tribus“ (zwei von den drei Erzherzoginnen) sollten an die spanischen Infanten vermählt werden, sei nun hinfällig, da nicht mehr drei am Leben seien; durch diese Umstandsänderung sei der Artikel annulliert. Eine so überspitzte Folgerung mag dem Kaiser nur im äußer­sten Notfall anwendbar erschienen sein, besser wird seinem Herzen die Betonung des Naturrechts in immer neuen oft sehr eindrucksvollen For­mulierungen zugesagt haben. In der Tat sind die Sätze, in denen vom unveräußerlichem Recht jedes Familienoberhauptes die Rede ist, seine Töchter, wem immer er wolle, zur Frau zu geben, nicht ohne schlichte Würde und dem kaiserlichen Vater mag die Frage an seine Bedränger wie eine Erlösung geklungen haben: ob denn, was der niedrigste seiner Untertanen als unangefochtenes Vorrecht genieße, dem Oberhaupt des heil. röm. Reiches verwehrt sein solle? Dabei hat er den Trugschluß in der Unterdrückung des Unterschieds nicht merken wollen, da doch der einfache Untertan in der Regel kaum irgendwelche bindende Verspre­chungen bezüglich der Verheiratung seiner Töchter eingeht. Jedenfalls war die Zeit der Abwesenheit des Chefs der Staatskanzlei beim Kongreß von Soissons jene Epoche, in der der Kaiser zuerst Ver­trauen und dann jene ungewöhnliche Zuneigung zu dem Protokollführer der geheimen Konferenz faßte, deren Beweise uns in den mehr als 160 Briefen aus 1730 bis 1739 erhalten sind. Die Zeit, da Sinzendorff in Frankreich verhandelte und von den Konferenzministern nur Prinz Eugen und Graf Starhemberg in Wien weilten, der Kaiser sich auf eine Weile nach Graz und Klagenfurt begab, dieses halbe Jahr genügte Bartenstein, um sich für immer die Gunst des sonst sehr scheuen und schwer zugänglichen Monarchen, ja einen Platz in dessen Herzen zu sichern. Und „gerade damals war kaiserlicher Seits der Plan aufgetaucht, nachdem die pragmatische Sanktion die Einheit der Monarchie fest­gestellt, dasjenige, was als oberster politischer Grundsatz im Innern galt, 28 28) Arneth, A ce G 46, „Traurige ... Gedanken ...“, S. 135.

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