Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung
520 Literaturberichte starr an den Regierungsprinzipien Josefs II. fest. Er übernahm vielfach Einrichtungen aus der Zeit Josefs II., die sein Vater abgeschafft hatte. Seine Haltung gegenüber der Kirche war festgelegt durch seine von den Formen seiner Zeit geprägte persönliche Frömmigkeit und einem starren Festhalten an Maßnahmen seiner Vorgänger, vor allem Josefs II., die er für sakrosankt hielt. Er verschloß sich zwar nicht den Vorstellungen einzelner österreichischer Bischöfe, die ihm die Folgen der staatskirchlichen Maßnahmen in der Seelsorge vor Augen führten. Die Folgen waren nicht ausgeblieben. Die Verächtlichmachung des Ordensstandes und das Nicht- funktionieren der staatlichen Generalseminarien hatte zu einer Zerrüttung der Disziplin in den Klöstern und zu starkem Priestermangel geführt. Franz I. versuchte zwar, einzelnen Mängeln auf kirchlichem Gebiet abzuhelfen, doch unterließ er sorgsam alles, was den Bestand der Staatskirche hätte gefährden können. Am Josefinischen Ehepatent hielt Franz I. fest. Die Hofräte Heinke und Zippe erlebten die Genugtuung, ihre Maßnahmen siegreich gegen die österreichischen Bischöfe verteidigen zu können. Die Nuntien betrachtete Franz I. als bloße diplomatiscne Vertreter des Papstes. In dem sich entspinnenden Kampf um die Vollmachten der päpstlichen Nuntien, der 1805 abgebrochen werden mußte, weil wichtigere Dinge den Kaiser beschäftigten, erwies sich Franz als guter Schüler Josefs II. Von der Ansicht des Kaisers wich die des Staatskanzlers ab. Metternich teilte nicht die kaiserliche Auffassung von der bloßen diplomatischen Stellung der Nuntien. Diese Ansicht widersprach seinen religiösen und politischen Anschauungen. Es dürften vor allem politische Erwägungen gewesen sein, die Metternich zu einer konzilianteren Haltung gegenüber der Kurie bewegten. Vielleicht war er auch weniger von josephinischer Gesinnung angekränkelt, die ihm, dem Rheinländer, fremd war. Der Wunsch, nicht weitere Konflikte mit der Kurie heraufzubeschwören, ließ den Staatskanzler vor der kompromißlosen Durchsetzung der staatskirchlichen Grundsätze warnen. Metternich besaß politische Einsicht genug, um einzusehen, daß die Kurie auf bestimmte staatskirchliche Forderungen des Kaisers nicht eingehen konnte, weil sie damit Grundlagen ihrer Existenz preisgab. So ist Metternichs Haltung in der Frage der Vollmachten der päpstlichen Nuntien und der Romreise der lombardo-venetianischen Bischöfe zu erklären. Seinen Bemühungen blieb allerdings der Erfolg versagt, die Berater des Kaisers aus der Zentralorganisierungshofkommission trugen den Sieg davon. Erst die Romreise des Kaisers und seine Begegnung mit dem Papst leiteten eine Wandlung ein. Der Kaiser konnte von den groben Irrtümem seiner Hoftheologen überzeugt werden und Verständnis für das übernatürliche Wesen und Leben der Kirche bekommen. An diesem Wendepunkt erscheint es berechtigt, Rückschau auf die früheren Bände zu halten. Es ist dem Verf. gelungen, die reichen archivalischen Quellen in handlichen Bänden veröffentlicht vorzulegen. In ihnen wird die Dynamik in der Auseinandersetzung von Kirche und Staat, aber auch die Grenze der Staatsomnipotenz sichtbar. Diese Grenzen aufgezeigt zu haben, ist das Verdienst des Verf. Im Polizeistaat wird das Überschreiten dieser Grenzen von seiten des Staates offenbar. Josephinismus ist sichtlich polizeistaatliche Maxime auf kirchlichem Gebiet. Anna Hedwig B e n n a (Wien).