Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Rezensionen 471 Im Wesen geht es um das Schicksal, die Entstehung und den Untergang des kurzlebigen kroatischen Staates von 1941—1945. Alles andere ist Vor­geschichte, brauchte daher nicht allzu breit dargestellt zu werden und wird sicherlich von der slawistischen Forschung noch eingehend erörtert werden. Immerhin ist es sehr dankenswert, einem breiteren Publikum — und dazu müssen sich in diesem Falle auch viele zünftige Historiker rechnen — einen Abriß der Geschichte der Kroaten im Mittelalter, unter den Habsburgéra, in der Türkennot, im Zeitalter des Dualismus und Subdualismus, zu geben. Die Geschichte der Militärgrenze und der kroatischen Regimenter im ersten Weltkrieg erfährt die notwendige Beleuchtung. Das Schwergewicht liegt jedoch auf der Darstellung der Probleme seit 1918, der Lage der Kroaten im SHS-Königreioh, ihren latenten Gegensatz zu den Italienern, die dann den „unabhängigen“ Staat Kroatien mit dem Poglavnik Ante Pavelic aus der Taufe hoben. Manches interessante Streif­licht fällt dabei auf die kroatische Emigration nach Österreich. Leistung und Begrenztheit der kroatischen Wehrmacht, das ausgleichende Wirken des deutschen Generals Glaise in Agram, der sich mehr als einmal gegen die widerspruchsvolle Politik Berlins und Hitlers stellte, manche Befehle nicht ausführte und daher abgelöst wurde, treten in ruhig-sachlicher, doch anschaulicher Diktion dem Leser vor Augen. Die Tragödie von Bleiburg, die Hinschlachtung von mehr als 15.000 Kroaten nach dem Kriegsende 1945, ist das blutige Ende des von beiden Seiten unerbittlich geführten Partisanenkampfes zwischen Serben und Kroaten. Walter Goldinger (Wien). Spectrum Austria*. Hrsgg. von Otto Schulmeister unter Mitwirkung von Johann Christoph Allmayer-Beck und Adiam Wandruszka. Verlag Herder, Wien 1957, 736 Seiten, 105 Abbildungen, 7 Farbtafeln, 27 Graphiken und 2 farbige Vorsatzblätter. Man hat dieses Sammelwerk wohlwollend als „großes“ Österreich-Buch bezeichnet. Ohne die Qualitäten des damit als Vergleichsmaßstab heran­gezogenen Österreich-Buches des Bundespressedienstes herabsetzen zu wol­len, trifft diese Aussage m. E. nicht das Wesen des „Spectrum Austriae“. Es unterscheidet sich nicht einfach durch Format und Ausstattung von dem gefälligen und charmanten Österreich-Buch, das bei Fremden aus aller Herren Länder für Österreich werben soll. Viel eher ist der Vergleich mit einem in den Dreißigerjahren erschie­nenen historischen Sammelwerk über „Österreichs Erbe und Sendung im deutschen Raum“ geeignet, die Bedeutung des „Spectrum Austriae“ ins rechte Licht zu rücken. Jenes Buch, das mehrere Beiträge von hohem, heute noch gültigen wissenschaftlichen Wert enthält, das von führenden öster­reichischen Wissenschaftlern von internationalem Rang herausgegeben wor­den war, sah Sinn und Erfüllung der Geschichte Österreichs eben nur im deutschen Raum. Nicht als Österreicher, sondern als „wir Deutsche“ hatten die Herausgeber dieses Buch mit ihrem Geist erfüllt und damit eine für ihre Zeit symptomatische Tat gesetzt. Denn der überwiegende Teil der österreichischen Akademiker, der geistigen Führungsschicht, war damals, wenn schon nicht dem Sog des Nationalsozialismus, so doch dem Traum vom Reich verfallen.

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