Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NOVOTNY, Alexander: Österreich-Ungarn und die Türkei zur Zeit des Berliner Kongresses bis zum Abschluß der Konvention vom 21. April 1879

342 Alexander Novotny schließlich nach langen, besonders im Anfang überaus schleppenden Ver­handlungen endlich zum Abschluß einer Konvention führten4). Bosnien-Herzegowina und Novi Bazar heißt das Hauptproblem, welches zwischen Österreich-Ungarn und der Hohen Pforte zur Diskussion stand. An diesem Problem jedoch hingen alle Fragen aller Balkanvölker und darüber hinaus die Beziehungen aller europäischen Staaten untereinander: nicht nur der Großmächte, sondern auch der neuen Balkanstaaten und selbst — last not least — der alten, kleineren Staaten Europas, die, ob­wohl politisch völlig neutral, sich doch dem Wellenschlag der akuten Krisen auf dem Bakan auch nicht ganz entziehen konnten. Die Stellung des Königreiches der Niederlande ist durch einige Momente wesentlich mitbestimmt: 1. durch die große Bedeutung der maritimen und der Handelsinteressen. Es ist bemerkenswert, festzustellen, wie stark diese mehr wirtschaftlichen Fragen in den Niederlanden auch bei adeligen Ver­tretern in Regierung, Diplomatie und Kammer ihre Wortführer fanden5). Da nun — 1878 — die wirtschaftlich interessierten Kreise in ganz Europa die Wiederbelebung friedlicher Handelsbeziehungen als ihr heiß ersehntes Ziel betrachteten, wirkt es sympathisch, unter den zahlreichen Friedens­freunden dieses Jahres die niederländischen Staatsmänner in der vorder­sten Reihe zu finden. — 2. zeichnete sich Holland durch eine gewisse Zu­rückhaltung gegenüber Großbritannien aus. Dies geht aber nicht nur auf wirtschaftliche Gründe, sondern wohl noch mehr auf die Abneigung Hol­lands gegen die Kriegslust Lord Beaconsfields zurück. Gibt doch van Zuylen sehr entrüstet aus Wien das Gerücht wieder, daß Großbritannien — an­geblich (!) — die Kriegsbegeisterung gewisser Kreise Ungarns finanziell begünstige6). — 3. lebte in den Niederlanden doch ein sehr starkes Gefühl für religiöse Fragen, Sicherung der religiösen Freiheit und des Protestes gegen Verfolgung anders Gesinnter; die Bewegungen des gleichzeitigen Kulturkampfes in Deutschland und die damit verbundene Auswanderung deutscher Katholiken nach Holland haben dazu beigetragen, das Gefühl dafür lebendig zu erhalten. Da nun die Staatsmänner dieser Zeit die reli­giösen Fragen vielfach ernster nahmen als die nationalen — man beachte etwa den Text des Artikels 2 der Konvention vom 21. April 1879! — konnte man sicher sein, in den Niederlanden gerade dafür Widerhall zu finden — und 4. hatten die Niederlande ein feines Gefühl für Gefährdung 4) S. Beilage II im Anhang. 6) Vgl. H. L. Asser, De buitenlandsche betrekkingen van Nederland 1860— 1889. 1889. — J. A. van Hamel, Nederland tusschen de mogendheden. 1918. — M. J. van Welderen Baron Rengers, Schets eener parlamentaire geschiedenis van Nederland 1849 tot 1891. 3. Aufl. 1918. — A. Novotny, Das Problem des Friedens und des Krieges im Jahre des Berliner Kongresses. Wissenschaft und Weltbild. 9. Jahrgg. 6. Heft, Dezember 1956, S. 290—294. — Hervorgehoben sei auch das Verständnis van Zuylens für die Handels- und Schiffahrtsinteressen Österreich-Ungarns im Südosten, z. B. in Ber. 31, holl, vom 17. Februar 1878. 8) Ber. 73, holl, vom 12. April 1878.

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