Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NEMETZ, Walter: Die Kriegsraketen im österreichischen Heere

Die Kriegsraketen im österreichischen Heere 263 feierlich wegen der „besonderen Arbeiten“ und deren Geheimhaltung ver­eidigt 10). Wenige Wochen später aber unterbrach die Rückkehr Napoleons nach Frankreich die begonnene Arbeit. Wie intensiv jedoch Augustin seine Arbeit vorwärtsgetrieben hatte, geht daraus hervor, daß er schon am 31. Mai 1815 durch den General Langenau an Kaiser Franz melden konnte, daß er im Stande sei, eine komplette Rakentenbatterie ins Feld zu stellen und daß er bereits 2400 Raketen verschiedenen Kalibers vorrätig habe* 20). Die Batterie wurde bald darauf in Marsch gesetzt. Zum Unterschiede von der Artillerie und den Bombardieren wurde der jüngsten Truppe des österreichischen Heeres — offenbar über Vorschlag Augustins — eine be­sondere, sie auszeichnende Uniform gegeben. Während die altüberlieferten Farben der österreichischen Artillerie braun mit rot waren, erhielten Augustin’s Raketeure Fräcke ähnlich den Offizieren des Generalstabes, nämlich dunkelgrüne, mit schwarzen Kragen und Aufschlägen, roten Vor­stößen, gelben Knöpfen und am Kragen beiderseits flammende Messing­granaten. An Stelle des — unförmigen — Hutes ä la Corse der Artillerie bekamen sie modische Tschakos mit großem Granatemblem. Die Hosen der Raketeure waren — ebenfalls ein Novum in der sehr konservativen kaiser­lichen Armee — bereits weit und lang, ihre Farbe war dunkelgrün21). Die Batterie zog mit 12 schweren Belagerungs- und 24 leichten Feld­lafetten zu der verbündeten Armee in die Niederlande und wurde zur Be­lagerung von Hüningen bestimmt. Die in 18 Munitionskarren mitgeführten Stabraketen waren zwei-, drei- oder vierzöllig (1 Zoll = 2,5 cm) und noch völlig nach dem, durch Schuhmacher verbesserten, System Congreves her­gestellt: in eine zylindrische Eisenblechhülle war ein Treibsatz über einen konischen Dorn hohl eingepreßt. Der vorzeitige Fall der Festung Hüningen und die rasche Beendigung des Feldzuges von 1815 verhinderten den weiteren Kriegseinsatz der öster­reichischen Raketenbatterie. Jedoch wurden noch im Felde bei Neudorf nächst Hüningen Schießversuche der Batterie in Gegenwart des Erzherzogs Johann durchgeführt, die zwar noch keine völlig befriedigenden Resultate erbrachten, aber immerhin bewiesen, daß die neuen Raketen jenen, welche 1808 nach den Plänen der Oberfeuerwerkerei in Wien hergestellt und auf der Simmeringer Heide erprobt worden waren, technisch und ballistisch bedeutend überlegen waren. Aus dem Felde zurückgekehrt, nahm Augustin sofort die Herstellung von Raketen neuer Art in Angriff. Vor allem ließ er nunmehr den Treib­satz nicht mehr nach dem Congréve’schen System hohl über einen Dorn, i°) KA. Mem. 13—338—2; FMLt. Faber an FM. Colloredo, Wr. Neustadt, 17. 5. 1815. 20) KA. Mem. 13—218; Gen. Langenau an Kaiser Franz, Wien, 31. 5. 1815. 21) L’AUemand: Die kaiserl. königl. Österreichische Armee im Laufe zweyer Jahrhundert. — Wien 1840, Taf. 36—4.

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