Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

KRAMER, Hans: Fürstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient während des ersten Weltkrieges. Nach neu gefundenen Akten

492 Hans Kramer nach Rom und rechtfertigte sein wenigstens in Tirol und im übrigen Österreich schon etwas umstrittenes Verhalten, das mindestens nach der Angabe Zanolinis vom Papst Pius X. und vom Kardinalstaatssekretär Merry del Val gebilligt worden sei12). Die Kurie dürfte nur die Stimme Endricis gehört haben. Tirolische Kreise oder etwa die österreichisch­ungarische Botschaft beim Hl. Stuhl dürften es versäumt haben, die Kurie über das hier und da subjektive Verhalten des Bischofs aufzuklären. In den letzten Monaten vor dem Ausbruch des Weltkrieges war das Verhält­nis zwischen den österreichischen Behörden und Endrici schon gespannt. Man beobachtete ihn nun genauer. Er wurde darauf aufmerksam und vorsichtiger13). Ich mußte diese Tatsachen wenigstens in knapper Form aufzählen, um zu zeigen, daß schon vor dem Beginn des Krieges nicht wenig Zündstoff angehäuft war. Dies erklärt manches spätere besser. Das Fazit hat der gewiß katholisch gesinnte österreichische Unterrichts­minister Univ.-Professor Max R. Hussarek von Heinlein in einer späteren Denkschrift gezogen. Er schrieb, daß „der vom Amtsvorgänger Endricis (Fürstbischof Dr. Eugen Karl Valussi) so erfolgreich beschrittene Weg der systematischen Zurückdrängung extrem nationaler Gesinnung von seinem Nachfolger verlassen und der Entwicklung jener Gesinnung nicht mit jener Entschiedenheit entgegengetreten wurde, die vom österreichi­schen Bischof einer Grenzdiözese unbedingt gefordert werden muß.“. Hussarek schrieb hier schonungsvoll sozusagen nur von den politischen Unterlassungs-, nicht von den Tatsünden Endricis14). Es kam der Beginn des ersten Weltkrieg es. Italien war noch neutral. Gerade deswegen blieb der Bischof über den Winter 1914/15 hin im allgemeinen gegenüber dem österreichischen Staat loyal. Er ver­wies später darauf, daß er für das Rote Kreuz, für das Sanitätswesen der Armee und in der Fürsorge für die zurückgebliebenen Angehörigen der Frontkämpfer sowie für die Kriegerwitwen und -waisen viel getan habe15). Bei der österreichischen Offensive von Karfreit 1917 fand man in den Papieren der Kundschaftsstelle des 5. italienischen Armeekorps Aufzeichnungen des Trienter Irredentisten Dr. Antonio Stefenelli, in 12) Zanolini, S. 73 f. 13) Zanolini, S. 64 f. 14) Promemoria Hussareks vom Juni 1916 (vgl. Anm. 6). Über den sehr verdienstvollen Unterrichtsminister v. Hussarek, dessen Bedeutung allerdings nur bei der Behandlung einer Einzelangelegenheit in meiner Abhandlung so richtig herauskommen kann, vgl. Alois C z e d i k, Zur Geschichte der k. k. öst. Ministerien 1861—1916, 4. Bd., 1908—16, Teschen-Wien-Leipzig 1920, S. 496 ff., 500ff. Max v. Millenkovich-Morold, Vom Abend zum Morgen, Erinnerungen, Leipzig 1940, S. 43, 97 ff., 248, 262. Nachruf in der Zschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte, kanonist. Abt., 24. Bd., 1935, S. 434, von Ulrich Stutz. Willibald M. P 1 ö c h 1, Max Hussarek als akademischer Lehrer, Oest. Archiv für Kirchenrecht, 5. Jg., Heft 1, 1954, S. 78 ff. 15) Amtsleiter Dr. Muck — Trient an FK.Tr. v. 6. Dez. 1915. Geh.Präs.A.Ibk.

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