Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WALTER, Friedrich: Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel

Metternich und Gervay 203 Nichts, wie diess im Allgemeinen nicht mein Fehler ist; ich sehe die Dinge, wie sie sind, und werde in meiner Ansicht durch andere Augen­zeugen unterstützt werden. An deren Spitze stelle ich den H. Erzh. Johann, welcher diese Gegenden seit langen Jahren nicht mehr gesehen hat und sie kaum erkennen wird. Neben der großen Bewegung herrscht tiefe Ehrfurcht vor Oestreich. Die täglichen finanziellen Massregeln finden allgemeinen Beifall und erzeugen einen um so größeren Eindruck, als sie unvermuthet in die Welt treten und tadellos dastehen! Da diess nicht der Fall mit den Kunststücken des K. v. Preussen 4) ist, so ist der Effeckt verdoppelt. Das Aergste der lezteren ist, dass sie den an Elendigkeit verkümmerten Liberalismus wieder aufregen.“ XII. G. a. M., 2. IX. 1842: Gr. Mittrowsky i) ist am 1. IX. gestorben. Die Bestellung der Nachfolge soll am Tage nach der Einsegnung erfolgen. Nach Gervays Meinung wird Eh. Ludwig auf der Ernennung Inzaghi’s* 2) beharren. M. an G., Johannisberg, 7. IX. 1842: „Wenn es bey der Ernennung des Gr. Inzaghy 2) bleibt, so findet die­selbe nach wie vor meine volle moralische Zustimmung. Sie hat zwey gute Seiten: die eine ist d i e, dem Selbst-benennen zu wich­tigen Plätzen einen Riegel vorzuschieben, die andere ist in meinem Ge­fühle die Gewissheit, dass, wenn Gr. I. vieleicht sich nicht als einen grossen Obersten Kanzler beweissen dürfte, er die Bürgschaft liefert, dass er mit Beihilfe hierzu geeigneter Gehilfen dem Geschäfte ohne nicht zu berechnende Sprünge vorstehen wird. Aus Ihrem lezten Schreiben, wenn Sie dasselbe mit den Auskünften vergleichen, welche ich Ihnen über meine Gespräche mit Gr. Chotek3) . gegeben habe, wird für Sie (wie diess für mich der Fall ist) eine neuer Beweiss erwachsen, wie schusslich und acktiv Gr. Chotek im Geiste und seiner Art herumschiesst. Niemand (ver)kennt die Eigenschaften, welche ihn auszeichnen, ich kenne aber auch seine Fehler und die lezteren sind nicht gut in die höchste Sphäre der Geschäfte einzuführen, obgleich die Gefahr bey der Kanzley geringer ist, da deren Vorstand durch das Gremium gebunden ist. Hier stellt sich das Gleichgewicht wieder her; es artet aber leicht in Lähmung aus. Eine gute Bildung der so wichtigen Hofstelle scheint mit mittelst Inzaghi und B. Piliersdorf4) erreichbar.“ XII. i) Siehe III. 2). 2) Siehe X. 2). 3) Siehe IX. 5). 4) Franz Freih. v. Piliersdorf (1786/1862), Hofkanzler in der ver. Hofkanzlei; 1848 als Nachfolger Graf Ficquelmonts Ministerpräsident.

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