Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich
462 Literaturberichte religiöse Wirren hinweg zu einer neuen Universalität zu gelangen strebte, ertönt die Fanfare von Sebastian Franck’s „Kriegsbüchlin des Friedens“ (2. Kapitel), das schon in seinem Titel die kämpferische Note anschlägt, aber nichts gemein hat mit dem modernen „Tarnmittel gesteigerter Machtpolitik, das den Frieden zum Vorwand nimmt“. Sebastian Franck ist ein echter Friedenskämpfer, der die geistige Gegenfront in dem kampferfüllten Zeitalter der Reformation zu Wort kommen läßt. Die Friedensideen und Friedenspläne eines Sully und Grucé im aufsteigenden 17. Jh. sind geboren aus dem politischen Denken. Sind hervorgegangen aus dem Glauben an die Sendung des modernen absoluten Staates (3. Kapitel), die Ideen eines Penn und Bentham (4. Kapitel) führen vom religiösen zum wirtschaftlich fundierten Friedensplan. Saint-Pierre und Rousseau (5. Kapitel) erheben sich über die „zahllosen Vorkämpfer, die nun (im 18. Jh.) dem literarischen Pazifismus Zuströmen“, der in dem ancien régime fast zu einer Modeerscheinung geworden war (S. 127), und verkörpern einen entscheidenden Ansatz für die weitere Entwicklung des Friedensproblemes, das in den Idealen der französischen Revolution zum Messianismus für Freiheit und Gleichheit Aller führt, während gleichzeitig in der Philosophie des deutschen Idealismus und Rationalismus „Kant innerhalb des Friedensproblems die höchste Steigerung dieses Denkens darstellt, das sich in ihm zu überzeitlichen Rang erhebt“ (S. 151), und von Gentz dann in seiner Schrift „Über den ewigen Frieden“ auf die realpolitischen Möglichkeiten des von ihm erstrebten vollkommenen Staates zurückgeführt wird (6. Kapitel). Der zweite Teil bringt in vortrefflicher Übersetzung und in textkritischen Wiedergaben die im Darstellungsteil feinsinnig interpretierten Friedensrufe und Friedenspläne eines Erasmus, Sebastian Franck, Émeric Crucé, William Penn, Jean Jacques Rousseau, Bentham, Kant und Gentz. Man könnte vielleicht einwenden, daß in dem vorliegenden Werk manche nicht minder berühmte Namen wie die der Angeführten fehlen, so z. B. Leibniz, Herder, Schlegel u. a., aber bei einer Auswahl muß man dem Verfasser und Herausgeber wohl das Recht zubilligen, nach seinem Wissen und Gewissen die Qual der Wahl überwinden zu dürfen; es wird natürlich immer der eine diesen, der andere jenen Philosophen oder Staatsmann im Chor der Friedensrufer und Planer in dieser Auswahl vermissen. Vollständigkeit konnte, wie der Verf. selbst im Vorwort freimütig zugibt, bei der hier gewählten Art der Darstellung nirgends erstrebt werden, erreicht aber wurde doch wohl die Sichtbarmachung der durch die vielen Kriege und Machtkämpfe, die in der zünftigen Geschichtsschreibung viel eingehender und sorgfältiger gewürdigt und analysiert wurden als die Friedenswerke, in dem Geschichtsbild oft verwischten Spuren des europäischen Friedensdenkens, wie es bisher in dieser Anschaulichkeit kaum dargestellt und kaum von einem Forscher darzustellen versucht wurde. Eine in das Friedensproblem noch tiefer einführende Bibliographie und ein ausgezeichneter Anmerkungsteil runden das Werk ab, dem man gern die einführenden Worte aus Crucé’s, Der