Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 507 versehen wurde 203). Kollowrat sah sich jedoch gezwungen, die Kaiserin auf die Schwierigkeiten dieses Auftrages ausdrücklich aufmerksam zu machen 204). Maria Theresia — von den Schilderungen ihres Sohnes über das böhmische Elend ohnedies beunruhigt — griff dieser neue Schlag nach ihren eigenen Worten so an, daß sie sich eine Arbeitspause gönnen mußte 205 206 *). Aber nun, am 17. November, kam endlich der Kaiser wieder nach Wien zurück und schon am Tage nach seiner Ankunft bestellte er Kollowrat und die Mitglieder der außerordentlichen Kommission für den 19. November um 9 Uhr Früh zu sich, um sich mit ihnen „über die Getreids Anstalten“ zu besprechen 20°). Nach den Sitzungsprotokollen der a.o. Kommission vom 20. und 21. November wurden in dieser Besprechung am 19. November von Joseph die entscheidenden Aufträge gegeben, die das Schicksal Böhmens doch zum Besseren wandten. Denn nun ging man daran, den ganzen böhmischen Jahresbedarf, den man für Zivil und Militär mit 1,200.000 Metzen errechnet hatte, in Ungarn aufzukaufen, wozu 4 Millionen Gulden nötig waren. Mit dem Ankauf beauftragte man „wegen seiner vorzüg­lichen Kenntnisse Ungarns“ den Hofkammerrat Festetics, der auch der a.o. Kommission angehörte20'), und alle denkbaren Vollmachten sowie 500-000 fl. Vorschuß erhielt. Da Festetics diesen Auftrag mit mindestens 30 eigens dafür angestellten vereidigten deutschen Beamten durchführen wollte, wurde ihm überlassen, selbst hierfür geeignete Persönlichkeiten ausfindig zu machen und anzustellen 208). Schließlich wurde er für den 203) 1771 XI 12, XI 16, Noten des Hofkriegsrates, Kommission Fasz. 4, November, n. 65 und StR.Prot. 1771/IV/3846. 2°4) Hätte er, Kollowrat, im Juli, „wo die erste allerhöchste Verordnung gekommen ist getreith nacher Böhmen zu transportiren den nemlichen Auftrag wie jetzo in halben november bekommen, so wurde darvur gewieslich besorget gewesen seyn, so aber sind die beste monathe verstrichen, und es befindet sich bis dieser stundt kein metzen gedreitz allhir.“ Er werde sich aber trotzdem nach Kräften bemühen, „um nur Euer Majaestet zu beruhigen.“ (1771 Mitte Novem­ber), Nachlaß Kollowrat, n. 369. — Die Kaiserin batte auf einen Vortrag Hatz­felds vom 25. Juli 1771 resolviert, daß von den für die Armee bestimmten Dar­lehen 1 Million fl. für Getreideeinkauf in Böhmen verwendet werden sollte. Für den Fall, daß das Getreide in Böhmen zu teuer wäre, müßte es in Ungarn aufge­kauft werden (StR.Prot. 1771/III/2703). Am 30. August hatte Maria Theresia Hatzfeld mitgeteilt, daß sie beschlossen habe, aus Ungarn einen Vorrat von 300.000 Metzen nach Wien schaffen zu lassen. Handbillett, Kommission Fasz. 3, September, n. 13. 205) „ich bekenne jetzt entgehet mir alles hertz Gott wolle ihme und alle treue Patrioten stärcken zum nutzen des vatterlands. ich habe so vili kummer die nicht beschreiben kan finde nöthig mich dise tage zu retirirn umb kräfften zu hollen.“ Ebendort. 206) 1771 XI 18. Joseph an Kollowrat. Ganz eigenhändig, Nachlaß Kollowrat, n. 312. 20?) Siehe oben S. 505. 208) Protokolle der a.o. Kommission vom 20., 21. XI. und 2., 3. XII. Kom­mission Fasz. 5, Dezember, n. 79.

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