Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 493 und nicht nur für Prag bestimmt wären. Dafür werde die Stadt 10-000 Metzen Getreide ä 4 fl. gegen bare Bezahlung, für die der Magistrat ver­antwortlich gemacht werde, erhalten. Weitere 5000 Metzen könnten etwas billiger abgegeben werden. Brot dürfe nur aus gemischtem Mehl (zwei Drit­tel Weizen, ein Drittel Roggen) gebacken werden. Ferner sei aus sämtlichen böhmischen Kreisen die freie Zufuhr und der freie Verkauf von Getreide nach Prag gestattet 10°). Da aber die Not in Prag wirklich drückend war, half das Prager Militärverpflegsamt doch mit 2000 Centnern Mehl aus, die den Bedarf der Stadt für 10—12 Tage deckten * 101) und auch die Hofkanzlei ersuchte mit dem Hinweis auf zu befürchtende Unruhen den Hofkriegsrat um die Be­willigung der vom böhmischen Gubernium erbetenen Aushilfe102). Dieser erklärte jedoch, eine so große Menge Mehl mit Rücksicht auf die Versor­gung der Armee nicht abgeben zu können 103), was die Hofkanzlei „um so weniger erwartet“ hatte, als das Militär nach dem Bericht des Guberniums bis Ende September versorgt sei und noch dazu erst kürzlich iin dem ohne­dies notleidenden Kreis Pilsen 2575 Metzen Roggen aufgekauft hätte. Man könne es der Hofkanzlei daher nicht verdenken, wenn sie auf der baldigsten Rückstellung dieses Getreides bestehe104). Dem böhmischen Gubernium wurde der abschlägige Bescheid mitgeteilt und dieses — da eine größere Zufuhr aus Ungarn momentan nicht möglich sei — aufgefordert, das für Prag erforderliche Getreide „auch mit Zwang“ im Lande selbst aufzu­treiben105 *). Daraufhin entschloß sich das Gubernium, das bisher den be­fürchteten „Aufruhr des Pöwels“ durch Erhöhung der Getreidepreise hintanzuhalten versucht hatte100), nun doch, einmal energisch vorzugehen: Bevollmächtigte Kommissäre mußten in Prag und allen böhmischen Kreisen die Scheunen visitieren und die gesamten überschüssigen Vorräte zu den seinerzeit von Kressei festgesetzten Preisen 107) für den Staat auf kaufen und sofort nach Prag liefern lassen. Getreide, das nicht gleich abtranspor­tiert werden konnte, sollten die Dorfbeamten verwahren, bis es Prager Müller mit einer Polizeibestätigung abholten. Verheimlichte Vorräte fielen der Konfiskation anheim und bei Widerstand der Betroffenen hatten die Kommissäre, die nirgends Geld oder Speisen annehmen durften, sofort Militärhilfe anzufordem los). too) 1771 V 11, ebendort, Mai, n. 12. 101) 1771 V 10, Bericht des böhmischen Guberniums, ebendort, n. 15. 102) 1771 V 11, ebendort, n. 13. 103) 1771 V 16, ebendort, n. 16. 104) 1771, V 17, ebendort. 105) 1771, V 17, ebendort, n. 15. 10°) Am 27. April war der Metzenpreis für Roggen von 3 fl. 9 kr. auf 4 fl. 41 kr. erhöht worden, da die Bäcker für 1 Metzen schon bis zu 5 fl. bezahlen mußten. Ebendort, Juni, n. 11. 107) Siehe oben S. 487, Anm. 65. los) 1771 y 22, Bericht des Guberniums. Kommission Fasz. 2, Juni, n. 3.

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